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Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Titel: Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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im Bett gesessen, den Rücken mit Kissen unterstützt, den Spiegel gedreht, dessen blendende Lichtreflexe Letitia wie Lanzen ins Gehirn stachen. Dabei hatte Helen gemurmelt.
    Dann fehlte Letitia ein Stück Erinnerung. Sie musste in Hypnose gewesen sein und Weisungen erhalten haben. Das nächste, was sie wieder wusste, war, dass sie gebadet und angekleidet wurde. Man half ihr beim Frisieren und Schminken. Letitia hatte willenlos alles mit sich geschehen lassen.
    In einem Trancezustand, von dem Trank und der Hypnose beeinflusst, war sie Peter Trent und dem Konstabler entgegengetreten und hatte erinnerungsfrei das von sich gegeben, was ihr die alte Helen suggeriert hatte. Letitia erkannte die Wahrheit.
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. Die Verzweiflung erdrückte sie. Die Mortons waren noch raffinierter und gemeiner, als Letitia gedacht hatte. Sie würden sie nicht mehr aus ihren Klauen lassen, bis…
    Letitia fragte sich, was man mit ihr beabsichtigte. Vielleicht, sie dem Teufel zu opfern? Ihre Furcht nahm immer mehr zu, je mehr die Wirkung des Tranks nachließ.
    Letitia stand auf. Sie rüttelte an der Tür und zog sich an der Steinkante zu dem Kellerfenster empor, durch das Licht in ihr Verlies fiel. Das Fenster war vergittert. Letitia hatte keine Chance zur Flucht.
    Der Konstabler und Peter Trent waren abgewimmelt worden. Keiner würde ihr helfen. Letitia dachte an die Warnung ihrer Mutter, und sie warf es ihr vor, sie nicht früher und umfassend über ihre Stornowayer Verwandten aufgeklärt zu haben. Doch es nutzte nichts, mit der verstorbenen Mutter zu hadern.
    Letitia wartete. Sie wusste nicht, wie viel Zeit verstrich. Die Wirkung der Hypnose und des Tranks ließen immer mehr nach.
    In dem Verlies wurde es immer dunkler. Letitia konnte kaum noch die Hand vor den Augen erkennen. Sie fröstelte. Kühle kroch aus den Mauern. Die Sonne war untergegangen. Durch das hochgelegene, vergitterte Kellerfenster fiel kaum noch ein Lichtschimmer. Denn Bäume warfen ihre Schatten auf das Fenster. Aus den Fenstern des Hauses fiel wenig Licht.
    Dann horchte Letitia auf. Sie hörte dumpfe Gesänge, deren Wortlaut sie nicht verstehen konnte. Es war, als ob eine Prozession durch den Keller ziehen würde. Die Töne näherten sich.
    Jetzt mussten die Teilnehmer dieser Prozession vor ihrer Tür stehen. Eine murmelnde Litanei wurde aufgesagt und verstummte. Dann klirrte ein Schlüsselbund. Die Tür wurde aufgeschlossen. Fackellicht leuchtete ins Verlies.
    In seinem Schein sah Letitia die Morton-Frauen und auch Männer des Clans vor der Tür. Sie spähten zu ihr herein. Noch saß Letitia auf der Pritsche. Sie blinzelte ins Licht.
    »Komm mit uns«, forderte Ann sie auf, die ein schwarzes, mit Flammen und Teufelsköpfen besticktes Gewand trug. Es sah aus wie ein Talar. Zudem trug Ann eine Kette mit einem handtellergroßen Amulett um den Hals, das einen Teufelsschädel aufwies. »Es ist an der Zeit, dass du deine Bestimmung kennenlernst, Letitia.«
    Die Frauen und wenigen Männer murmelten.
    Letitia hatte Angst. Doch es hatte keinen Zweck, sich zu sträuben. Sie wäre nur mit Gewalt mitgeschleppt worden. Außerdem wollte Letitia endlich erfahren, was der Zweck ihres Aufenthalts im »Haus der sinkenden Sonne« war.
    Sie erhob sich. Ihre Knie waren noch ein wenig schwach nach den Aufregungen, der Hypnose und dem Trank, der ihr Bewusstsein beeinflusst hatte.
    Die Morton-Frauen nahmen Letitia in dem breiten Gang in die Mitte. Sie legten die Hände auf ihre Arme und ihre Schultern. Sie hielten Letitia zwar nicht fest, waren aber bereit zuzupacken, falls sie einen Fluchtversuch unternehmen sollte.
    Ann schritt voran. Die Frauen und Männer des Clans waren alle in feierliches Schwarz gekleidet. Die unheimliche Prozession führte Letitia durch die Kellergewölbe vor eine mit Eisenbändern versehene, massive Tür, an der sich ebenfalls ein Klopfer in Gestalt eines Teufelskopfs befand.
    Auf einen herrischen Wink von Ann hin ergriff Thomas Morton den Klopfer und schlug ihn gegen die Tür. Der Schlag hallte lange nach.
    »Wer ist da?« fragte von drinnen eine krächzende Stimme.
    »Die Priesterin Satanas«, antwortete Ann.
    Die Stimme drinnen und Ann sprachen Englisch, zweifellos, damit es Letitia verstehen sollte. Letitia verkrampfte sich. Die Hände packten sie fester. Sie konnte nicht fliehen.
    »Was willst du?«
    »Unserem Herrn und der Großen Mutter die Auserwählte vorführen.«
    »Tritt ein!«
    Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand.
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