Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Bengels auf und wollte nur noch möglichst schnell weg.
    »Mein Kollege und ich werden jetzt das Beweismaterial sicherstellen und dich nach der Schule hier abholen«, sagte Flavio in väterlichem Tonfall. »Schreib deine Arbeit. Mach was aus deinem Leben. Und denk dran«, er setzte sich die Sonnenbrille wieder auf, »du kannst wegrennen, aber du kannst dich nicht verstecken.«
    Der Bengel guckte dumm aus der Wäsche. Bevor wir uns davonmachten, klopfte ich ihm aufmunternd auf die Schulter.
     
    Im Rucksack befanden sich Gras und Pillen im Verkaufswert von weit über zweitausend Mark. Weil Flavio und ich das Zeug nicht selbst verscherbeln wollten, rief ich Pascal an, bei dem ich für gewöhnlich einkaufte, in der Hoffnung, er würde uns einen anständigen Preis machen. Am Telefon deutete ich nur vage an, worum es ging, und wenig später standen wir vor seiner Wohnungstür im frisch geschrubbten Treppenhaus.
    Ich klopfte.
    Flavio trug noch immer seine Bomberjacke.
    »Willst du die nicht mal ausziehen?«
    »Solche Geschäfte macht man nicht in T-Shirt und kurzen Hosen, Rick«, sagte Flavio. Gerade wollte ich die Augen verdrehen, da hörte ich Pascals Stimme durch die Tür.
    »Ja?«, fragte er tonlos.
    »Wir sind’s.«
    »Wer?«
    Die Haustür hatte offen gestanden, und wir waren reingekommen, ohne zu klingeln, sodass ich mir nichts bei der Frage dachte.
    |23| »Rick. Und Flavio ist dabei.«
    Stille. Dann: »Das ist heute doch nicht so gut.«
    Flavio kratzte sich knirschend über seine Bartstoppeln am Hals, und ich ging dichter an die Tür. »Pascal, lass uns mal kurz rein, und guck dir an, was wir mitgebracht haben, ja?«
    »Ich rufe dich morgen an.«
    »Mach mal bitte kurz die Tür auf. Flavio muss auch nicht mit reinkommen, wenn du keinen Bock auf ihn hast«, sagte ich drängender und nahm den Rucksack von den Schultern. Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt, und Pascal linste über die vorgehängte Kette aus der Wohnung.
    »Jungs, ihr solltet echt abhauen«, sagte er.
    »Dauert nicht lange.«
    »Was denn?«, fragte er genervt und zog die Augenbrauen zusammen.
    »Wir haben ein Eins-A-Geschäft für dich, da kannste richtig Geld mit machen«, flüsterte Flavio. In dem Moment wurde die Tür zugeknallt, es polterte, und nach einem Klickern der Kette wurde sie wieder aufgerissen.
    Ein breitschultriger Glatzkopf mit fliehender Stirn und tiefliegenden Augen stand vor uns. Perplex, wie ich war, konnte er mir den Rucksack aus den Händen nehmen, ohne dass ich reagierte. Sofort wollte Flavio auf den Kerl losgehen, aber ich packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. Im Augenwinkel hatte ich noch zwei ähnliche Gestalten bemerkt, die in einem der Zimmer hockten.
    »Warte mal«, sagte ich.
    »Was denn?!«
    Pascal stand im Flur hinter dem Kerl und machte eine hilflose Handbewegung.
    »Das habt ihr euch echt selbst eingebrockt, Jungs«, sagte er.
    Der Glatzkopf deutete in das Zimmer zu den beiden Männern, die in zwei Sesseln hingen und ausdruckslos zu uns herübersahen. Nach kurzem Zögern traten wir in die Wohnung, nickten ihnen zu und setzten uns ihnen gegenüber auf |24| ein Sofa, in das wir tief einsanken und jegliche Souveränität mit uns.
    Nachdem er unseren Rucksack auf dem Wohnzimmertisch abgestellt hatte, postierte sich der Glatzkopf mit verschränkten Armen im Türrahmen, als würde sich ein Tetris-Stein in eine passende Lücke schieben.
    Pascals Wohnung war wie geleckt. Auf dem Teppich war kein Fussel zu entdecken, und selbst die Gläser der gerahmten Filmplakate waren streifenfrei gewienert. Mehrere Fernbedienungen lagen auf dem Tisch in Reih und Glied nebeneinander. Das Einzige, was den Gesamteindruck störte, war ein randvoller Aschenbecher, um den herum sich ein Kreis Asche wie ein Asteroidengürtel zog.
    Die Kerle sahen uns an. Sie waren um die vierzig. Unter ihren Anzügen trugen sie bunt gemusterte Hemden wie aus der Altkleidersammlung. Bei einem der beiden uns gegenüber ragte eine Tätowierung am Hals bläulich verschwommen aus dem Kragen, und der andere trug einen Brillie im Ohr. Leute, die nichts zu verlieren hatten und genau das auch ausstrahlten. Mit Typen wie ihnen gab es am Wochenende regelmäßig Reibereien in den Clubs, wenn sie frühmorgens den Frauen zu aufdringlich wurden, weswegen Flavio und ich sie dann möglichst stressfrei hinausbefördern mussten.
    Wir starrten uns an. In der Ecke des Zimmers plätscherte Wasser in einem Aquarium, und auf dem Fernseher blinkte die Grafik eines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher