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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben
Autoren: Aufbau
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einem Kaffee nippte. Ich strich mir mit den Fingerspitzen über den Nacken und sah sie an. Als sie mich bemerkte, prostete sie mir mit ihrer Tasse zu. Im Gegenzug hob ich mein Bier, woraufhin Flavio, der mit freiem Oberkörper am Grill hockte wie ein Orang-Utan, auf sie aufmerksam wurde, grinsend seine Oberarme anspannte und sich den Bizeps küsste. Weil es auf den Sommer zuging, hatten wir in den letzten Monaten regelmäßig trainiert. Die Frau nickte anerkennend zurück, hob dann aber eine Hand und zeigte mit Daumen und Zeigefinger die Maße eines Streichholzes.
    »Originalgröße!«, rief sie zu uns herüber.
    Wir lachten, und sie verschwand tänzelnd in ihrer Wohnung.
    »Die Alte is’ jetzt aber mal ganz weit oben auf der Liste«, sagte Flavio und drehte die brutzelnden Nackensteaks um. Sein Handy klingelte.
    »Janina«, sagte er, aber ich sah ihn nur fragend an. »Die kleine Schwarzhaarige mit den Locken, die neulich in letzter Sekunde doch nur kuscheln wollte.«
    »Die die ganze Nacht von der Uni gelabert hat?«
    Flavio nickte.
    »Und wieso hat die deine Handynummer?«, wollte ich wissen, weil es goldene Regel war, nach einem One-Night-Stand auf keinen Fall die richtige Telefonnummer rauszurücken, schon gar nicht nach einem missglückten.
    »Die hat so lieb gefragt.«
    Ich schmunzelte.
    Flavio ging ans Handy. »Moin.«
    Ich hörte nicht weiter zu, sondern betrachtete die Tätowierung auf meinem rechten Handgelenk, die einzige, die ich bereute. Ein Herzchen, in dem in verschnörkelter Schrift Flavios Name stand. Vor einigen Monaten waren wir besoffen in ein Studio gestolpert und hatten uns unsere Namen |18| stechen lassen. Am folgenden Morgen war es nicht mal mehr halb so witzig gewesen.
    Flavio stieß mich mit dem Fuß an. »Manhattan-Bar?«, fragte er, aber ich wusste nicht, worum es ging. »Warte mal«, sagte er zu Janina, hielt das Handy beiseite und sagte leiser: »Kommst du heute Abend mit in die Manhattan-Bar, einen Cocktail trinken? Die will sich noch mal mit mir treffen und eine Freundin mitbringen. Das ist
die
Chance!«
    Ich rieb mir die Schläfe und schüttelte den Kopf. Aber Flavio riss die Augen auf und rührte mit der Grillzange in der Luft herum.
    »Ich bin noch total durch von gestern«, sagte ich, »außerdem bin ich pleite.«
    »Los«, protestierte er gepresst. »Doppel-Date mit Charme-Offensive.«
    Als ich nicht reagierte, verzog er das Gesicht und wackelte mit dem Oberkörper hin und her. »Mir zuliebe«, sagte er. »Ich lad dich ein, Alter.«
    »Du zahlst?«
    »Komplett.«
    »Sieht die Freundin halbwegs gut aus?«
    »Nee, das ist so ’ne Bucklige«, antwortete er und rollte mit den Augen.
    Ich lächelte.
    »Janina? Ja, klappt. Neun Uhr in der Manhattan-Bar.«
    Nachdem Flavio sich von ihr verabschiedet hatte, kniete er sich neben den Grill und murmelte: »Jetzt gibt’s Fleisch.«
    Ich reichte ihm die Teller.
    »Lass uns nachher noch was zu kiffen besorgen, Rick, ja?«
     
    Keine zwei Stunden später standen wir mit vollgeschlagenen Bäuchen vor einer Schule und musterten von der gegenüberliegenden Straßenseite aus die Schüler, die herausströmten. Einige verschwanden in Richtung Bus- oder Bahnhaltestelle, andere sammelten sich in kleinen Gruppen vor dem Eingang.
    |19| »Ich bin so froh, dass ich keine siebzehn mehr bin, sondern auf die dreißig zugehe. Guck dir mal an, was die mit ihren Haaren machen. Und die Hosen erst«, sagte Flavio, während er sich eine Bomberjacke überzog.
    »Die ist doch viel zu warm«, sagte ich.
    »Sieht aber cooler aus.«
    Damit setzte er sich eine verspiegelte Sonnenbrille auf. Anschließend kontrollierte er, ob das Funkgerät in seiner Jackentasche ausgeschaltet war, das er, genau wie ein Headset, bei einer Security-Firma hatte mitgehen lassen, für die wir eine Weile Türsteherjobs gemacht hatten. Ich warf einen Blick über die Straße und fragte: »Welchen nehmen wir denn jetzt?«
    »Gibt’s schon einen mit Dreadlocks?«
    »Nee.«
    »Hat der eine da nicht ein Bob-Marley-T-Shirt an?«
    »Das ist Che Guevara«, sagte ich.
    »Bedeutet doch beides
Kiffen
, oder nicht? Irgendwas Zeckenmäßiges halt.«
    Ich sagte nichts.
    »Oh, hier!« Flavio deutete auf den Eingang, aus dem ein Kerl mit verfilzten Haaren geschlurft kam, der den Temperaturen zum Trotz einen Parka mit Cannabisblatt-Aufnäher trug. Auf seinen Schultern hatte er einen vollgekritzelten Militärrucksack.
    »Das ist schon fast zu einfach«, sagte ich.
    »Herr Kollege«, Flavio rückte sich die
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