Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger
Autoren: J. T. Geissinger
Vom Netzwerk:
Gesichter, in den schräg geschnittenen Augen und den vollendet geschwungenen Lippen erkennen. Ihre Haltung, ihre Körper, ihre Gesichter waren perfekt – und doch seltsam. Wie geschnitzt. Aus einer anderen Welt. Beinahe elfenhaft. Sie waren auf eine Weise schön, wie Raubtiere schön waren.
    Und genauso wie Raubtieren mangelte es auch ihnen an Menschlichkeit.
    Einer der drei stand etwas abseits, einige Schritte neben den anderen. Wie seine Begleiter hatte auch er rabenschwarze Haare, einen honigfarbenen Teint und leuchtende Augen. Aber er war größer und breitschultriger als die anderen. Die perfekte Symmetrie seines Gesichts strahlte etwas beinahe Unheimliches aus, und sein kantiger Kiefer wirkte wie aus Stein gemeißelt. Etwas stimmte mit dem Mund nicht. Er sah zwar sinnlich, aber auch hart aus – so hart, als ob er seit Jahren nicht gelächelt hätte.
    Wenn überhaupt je.
    Ihre Augen trafen sich. Jenna durchfuhr ein Blitz, der bis in ihr Herz schoss.
    Wer, dachte sie, und dann: Was? Es fiel ihr schwer, klar zu denken. Adrenalin pumpte durch ihre Venen. Ihre Glieder begannen sich auf einmal wie von selbst zu bewegen, während ihre Nerven »Lauf!« schrien. Dennoch konnte sie nur über den Parkplatz in diese animalisch funkelnden, grünen Augen starren.
    Er erwiderte ihren Blick mit einer solchen Intensität und Hitze, dass sie glaubte, jeden Augenblick in Flammen aufgehen zu müssen. Instinktiv holte sie tief Luft und nahm dabei seinen Geruch in sich auf. Männlich. Mächtig. Gefährlich.
    Dann verlagerte er sein Gewicht. Mit dieser kleinen Bewegung veränderte sich alles. Seine Miene verdüsterte sich und wurde schärfer. Einen Moment lang sah er so aus, als ob er über den Parkplatz direkt auf sie zulaufen und sie verschlingen würde.
    Eine weitere Hitzewelle traf sie. Ihr blieb vor Angst fast das Herz stehen. Zu ihrem großen Entsetzen begann die Welt um sie herum zu wanken. Sich aufzulösen. Ihr Körper wurde seltsam kraftlos und ließ sich nicht mehr kontrollieren. Alles verschwamm ihr vor den Augen, und sie stürzte gegen das Regal mit den Holzbriketts. Ihr Kopf schlug gegen eine Metallstange.
    Einen Moment lang sah sie Sternchen und Punkte, ehe die Welt um sie herum in Dunkelheit zu versinken begann. Alles verlor seine natürliche Farbe. Nur diese Augen glühten wie grüne Leuchtfeuer durch die immer weiter um sich greifende Schwärze.
    Nein, dachte sie panisch. Nein! Ich bin nicht … Ich kann nicht …
    Ehe Jenna das Bewusstsein verlor, sah sie, wie sich der grünäugige Fremde mit der Zunge über die Lippen fuhr.

2
    »Sie sieht jedenfalls entzückend aus, Leander. Wenn auch etwas aus dem Gleichgewicht. Bist du dir sicher, dass wir die richtige Blondine erwischt haben?«
    Leander drehte sich nicht um, als sein jüngerer Bruder Christian ihn so amüsiert ansprach. Er bewegte sich nicht, blinzelte nicht oder zeigte auf irgendeine andere Weise, dass er ihn gehört hatte. Er starrte nur mit fiebrigen Augen und leicht geröteten Wangen über den Parkplatz hinweg durch die Türen des Supermarkts, wo sich eine kleine Menge um die schlanke Frau versammelt hatte, die jetzt bewusstlos auf dem Boden lag.
    »Das ist sie«, erwiderte Leander mit einer Ruhe, die verbarg, wie heftig das Herz in seiner Brust schlug. »Ich weiß, dass sie es ist.«
    Er hatte es vom ersten Moment an gewusst, als er sie erblickt hatte. Nicht nur wegen der Augen, sondern auch wegen ihres Geruchs. Sie roch nach Jugend, nach Kraft und nach weiblicher Hitze. Und sie roch nach etwas Ungreifbarem – schön, dunkel und geheimnisvoll, der typische Geruch ihrer Spezies. Sie strahlte eine sinnliche Mischung aus Waldboden, Kräutern und Regen, aus frischer Luft, Moschus und Mondlicht aus.
    Niemand besaß eine derart starke Sinneswahrnehmung wie Leander. Sie gehörte zu seinen Gaben, wenn sie auch nicht seine am stärksten ausgeprägte war. Er hatte einen Großteil seines Lebens damit verbracht, die Gerüche, Geräusche, Empfindungen und Erschütterungen in den Griff zu bekommen, die ihn täglich zu überwältigen drohten. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, wie er einen Großteil des Chaos ausblendete und wie er das ausfilterte, was er nicht aufnehmen wollte. Doch diesmal hatte er all seine Sinne geöffnet, um sie in sich einzusaugen. Der Geschmack ihrer Haut war auf seiner Zunge zurückgeblieben. Jeder Nerv in seinem Körper spürte sie. Jede seiner Poren war voll von ihr. Vor Verlangen war ihm fast schwindlig.
    »Mein Gott!«, ertönte eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher