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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger
Autoren: J. T. Geissinger
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Erledigungen, Einkäufen und Putzen ihrer Wohnung verschwendet, die sich im Nachhinein sowieso als völlig sinnlos erwies. Aber wie es diese wichtigen Tage so an sich haben, begann auch dieser mit keinem Hinweis auf das, was kommen sollte.
    Es war ein Sonntag im Juli, und es war heiß. Glühend heiß. Die Art von Hitze, die es in Südkalifornien selten gibt, die Art, bei der die Gemüter der Menschen gereizt sind, die Blumen ihre Köpfe hängen lassen und die bereits sowieso schon mächtig überlastete Stromversorgung vollends zusammenbricht, was zu mehreren Stromausfällen in der kleinen Stadt am Meer führte, in der Jenna lebte. Selbst die Bikini-Mädchen auf ihren Rollerblades, die eingeölten Bodybuilder und die Legionen von Touristen mit Kameras und karierten Shorts, die gewöhnlich die Strandpromenade vor Jennas Wohnung bevölkerten, waren vor der Hitze geflohen. Nur noch Scharen kreisender Möwen überwachten mit scharfen Blicken den flirrenden Himmel über dem Meer.
    Da Jenna extreme Temperaturen problemlos ertrug – sie hatte bereits überall auf der Welt gewohnt und niemals Beschwerden wegen des Wetters gehabt, ob sie sich nun in Afrika oder in Alaska aufgehalten hatte –, war sie die Einzige im Supermarkt, die nicht so wirkte, als wäre sie gerade aus der Sauna gekommen. Alle um sie herum schwitzten, stöhnten und hingen wie Topfpflanzen herum, die man schon lange nicht mehr gewässert hatte. Sie hingegen trug ein auf Taille geschnittenes Wollkleid und hatte ihr langes, schweres Haar offen, das ihr in dicken, honigfarbenen Wellen fast bis zum Po hing. Sie blieb cool und so entspannt, als ob sie sich in einem Kühlschrank befände.
    Der Metzger hinter der Theke hingegen wirkte ganz und gar nicht cool.
    »Was darf es sein, Miss?« Mit müden Augen und roten Wangen blinzelte er unter seinem weißen Papierhut hervor. Er keuchte angestrengt. Schweiß stand ihm auf der Stirn und der Oberlippe. Im Grunde sah er so aus, als ob er kurz vor einem Herzinfarkt stünde.
    »Ein Steak«, sagte sie und zeigte durch die Glasvitrine.
    »Das Filet ist gerade im Angebot«, erwiderte er lustlos. »Möchten Sie vielleicht ein Stück vom Filet?«
    Das hätte sie tatsächlich gerne gewählt, aber sie konnte es sich nicht leisten.
    »Danke, aber ich nehme das Steak.« Mit dem Salat und der Flasche Cabernet, die sich bereits in ihrem Korb befanden, würde das ein leckeres Essen ergeben. Normalerweise aß sie bei der Arbeit – im Stehen –, aber heute Abend hatte sie frei und wollte sich etwas Gutes tun.
    Der Metzger bewegte sich schwerfällig, als wäre er unter Wasser. Langsam wickelte er das Steak in ein Stück braunes Packpapier und reichte es ihr über die Theke.
    »Braten Sie es nicht zu lang. Es braucht nur vier Minuten auf jeder Seite.«
    Sie hatte nicht vor, es zu braten, nahm aber nicht an, dass er etwas mit dieser Information anfangen könnte. »Gut, danke für den Tipp.«
    Er zwinkerte ihr zu und schenkte ihr ein schläfriges Lächeln, das beinahe etwas Anzügliches hatte.
    Und in diesem Moment passierte es.
    Zuerst war es nur ein leichtes, heißes Stechen, eine seltsame, greifbare Schockwelle, die von nirgendwoher und doch von überall um sie herum zu kommen schien. Der Hitzeschlag traf sie so unerwartet, dass sie beinahe ihre Tasche fallen ließ. Überrascht blickte sie auf ihre Finger und konnte zusehen, wie Gänsehaut über ihren Arm lief. Dann steigerte sich diese seltsame heiße Welle, die sie erzittern ließ und die bis in ihr Innerstes vordrang. Sie war so heiß und so intensiv, dass Jenna einen Moment lang glaubte, tatsächlich verbrannt zu werden.
    Vorsichtig sah sie sich um, wobei sie nur ihre Augen bewegte.
    Nichts.
    Das kann ja wohl kaum der Metzger sein, der mich derart durcheinanderbringt, dachte sie und musterte den Mann noch einmal genauer. Er schwitzte, lächelte noch immer und musste mindestens zwanzig Jahre älter als sie sein. Seine kräftigen Unterarme ruhten auf der Fleischvitrine wie zwei Stücke haariges, tätowiertes Fleisch.
    Nein. Garantiert nicht der Metzger.
    Sie sah sich erneut um und bemerkte den Blick eines großen, grauhaarigen Herrn, der neben seiner Frau vor einem Weinregal in ihrer Nähe stand. Die Frau redete ununterbrochen. Er starrte Jenna auf jene Weise an, die sie von Männern kannte. Nein, der konnte es auch nicht sein. Sicher nicht.
    Wer – oder was – war es dann?
    In diesem Moment schoss ihr eine beängstigende Erinnerung – eine Warnung – durch den Kopf, die ihr
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