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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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einzugreifen. Aber so kurz vor dem geplanten Ausbruch hatte er das Risiko eines Zusammenstoßes nicht eingehen wollen. Außerdem litt Myron wohl nicht allzuviel dabei. Für seine Dienste hatte er eine lebendige Maus bekommen, der er später mit dem langen spitzen Nagel seines kleinen Fingers den Bauch aufschlitzte.
    »Also, merk dir, was ich dir gesagt hab, Myron«, mahnte Carl jetzt. Die Hofpause würde gleich vorüber sein, und danach würden sie kaum noch Gelegenheit finden, allein miteinander zu sprechen. »Wenn wir zum Straßenbautrupp eingeteilt werden, darfst du dir keine Aufregung anmerken lassen.«
    »Okay«, sagte Myron, schon wieder abgelenkt von der blutenden Nagelhaut an seinem Daumen.
    »Es wäre vielleicht sogar gut, wenn wir so täten, als wären wir sauer, daß wir da raus müssen. Meinst du, du schaffst das? So zu tun, als wärst du sauer?«
    »Klar, Carl.« Er lutschte mit dem gleichen Genuß, wie vorher an dem Schokoriegel, an seiner Nagelhaut.
    »Wenn die nämlich glauben, wir wären scharf darauf …«
    Der Schlag traf ihn aus heiterem Himmel. Er riß ihn von der Holzbank, auf der er gesessen hatte. Eben noch blickte er Myron ins grinsende, schokoladenverschmierte Gesicht, und im nächsten Moment lag er mit dröhnenden Ohren im Dreck, während alles rundherum vor seinen Augen verschwamm und seine Nieren mit Tritten bearbeitet wurden, daß sich ihm der Magen umdrehte.
    Er vergaß seinen Vorsatz, allen Ärger zu vermeiden. Der Überlebensinstinkt gewann die Oberhand. Sich auf den Rücken rollend, schwang er sein Bein in die Höhe und trat seinen Angreifer mit aller Kraft in die Hoden. Der schwarze Gewichtheber, der sich offensichtlich nur auf seine Muskeln verließ, ohne an Taktik zu denken, hatte den Gegenangriff nicht erwartet. Laut aufheulend fiel er auf die Knie, die Hände an seiner zartesten Körperstelle. Natürlich konnten
da die anderen Schwarzen nicht untätig bleiben. Die ganze Meute fiel über Carl her und hieb mit Fäusten auf ihn ein.
    Die Wärter kamen mit schwingenden Schlagstöcken angerannt. Andere Häftlinge versuchten entweder den Kampf zu beenden oder anzuheizen. Sehr schnell war das Handgemenge beigelegt. Nach Wiederherstellung der Ordnung wurde der Schaden begutachtet, und er erwies sich als minimal. Nur zwei Häftlinge wurden mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.
    Einer war Carl Herbold.

2
    I ch fand den Abend sehr nett.«
    Die Bemerkung seiner Frau veranlaßte Ezra Hardge zu einem geringschätzigen Prusten. »Das war das zäheste Stück Fleisch, das ich je auf dem Teller hatte, und die Klimaanlage hat aus dem letzten Loch gepfiffen. Ich dachte schon, ich zerfließe in diesem schwarzen Anzug.«
    »Dir hätte man heute abend sowieso nichts recht machen können. Du wolltest unbedingt der Miesmacher sein!«
    Ezra Hardge war seit fünfzig Jahren Sheriff von Blewer County und seit zweiundfünfzig Jahren mit Cora verheiratet. Zum erstenmal hatte er sie bei einer Wiedererweckungsversammlung gesehen, an der er und seine Freunde nur zum Jux teilnahmen. Beinahe wie den Worten des Wandergeistlichen zum Trotz, der unter dem Zeltdach Hölle und Verdammnis predigte, hatte Cora eine freche rote Schleife im Haar und knalliges Rot auf den Lippen getragen. Während die Gemeinde sang, wanderte ihr Blick vom Gesangbuch über den Gang und traf Ezzy, der sie mit unverhohlenem Interesse und Wohlgefallen anstarrte. Was in ihren Augen blitzte, war nicht religiöser Eifer, sondern reiner Übermut. Sie hatte ihm zugezwinkert.
    Die Aufmüpfigkeit war ihr geblieben, und ihm gefiel sie nach diesen langen Jahren immer noch.
    »Die Leute hier haben es sich eine Menge Mühe und Geld kosten lassen, dir dieses Essen zu geben. Du hättest wenigstens ein bißchen Dankbarkeit zeigen können.« Sie schlüpfte aus ihrem Morgenrock und kam zu ihm ins Bett. »Man kann immerhin höflich sein!«
    »Ich hab nicht um ein großartiges Essen mir zu Ehren gebeten … kam mir vor wie ein Affe …«
    »Ach, es geht gar nicht um das Essen. Du bist wütend, weil du aufhören mußt.«
    Cora nahm meistens kein Blatt vor den Mund. Mürrisch zog Ezzy die Bettdecke hoch.
    »Glaub ja nicht, daß ich mich auf deinen Ruhestand freue«, fuhr sie fort, während sie völlig unnötig ihr Kopfkissen zurechtklopfte. »Oder meinst du vielleicht, ich find’s lustig, dich in Zukunft den ganzen Tag zu Hause haben und ständig dein brummiges Gesicht sehen zu müssen? Ich seh’s schon, du wirst mir dauernd in die Quere kommen.«
    »Dir
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