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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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Aber selbst die hochrangigsten Offiziere brauchten die gemeinen Soldaten, um ihre Strategien umzusetzen. Daher Myron.
    Er hätte jeden Kerl in dem Schuppen hier haben können. Myron war den meisten Leuten unheimlich, sogar abgebrühten Kriminellen. Sie blieben ihm aus dem Weg. Aber Carl, der geborene Führer, zog die Leute an wie ein Magnet. Er gehörte mit zu den Alteingesessenen, und das hatte ihm unter der Zuchthausbevölkerung eine Menge Einfluß verschafft. Hinzu kam sein angeborenes Charisma. Er hätte jeden beliebigen unter den Insassen zum Partner wählen können, allesamt cleverer und bösartiger als Myron – der war nämlich trotz seinen gewalttätigen Tendenzen ein gutmütiger
Mensch. Aber jeder mit ein bißchen mehr Grips würde Carl Probleme verschaffen.
    Er wollte keinen Partner, der seinen eigenen Kopf hatte und meinte, ihm dreinreden zu müssen. Meinungsverschiedenheiten lenkten einen ab und führten direkt in die Katastrophe, nämlich dazu, wieder geschnappt zu werden. Alles, was er für seinen Fluchtplan brauchte, war ein zusätzliches Paar Augen und Ohren sowie jemanden, der schießen konnte und keine Angst hatte, es im Notfall auch zu tun. Myron Hutts erfüllte diese Voraussetzungen, brauchte also nicht schlau zu sein. Carl war schlau genug für beide.
    Außerdem würde er mit Cecil schon Scherereien genug kriegen. Cecil dachte zuviel. Der analysierte jeden Furz bis zum Gehtnichtmehr. Und während er die Möglichkeiten hin und her drehte, verpaßte er die Gelegenheiten. Er war so wie der Typ auf der Witzpostkarte, die Carl einmal gesehen hatte: Der hatte dagestanden und den Fotoapparat vor die Augen gehalten, um den Eiffelturm zu fotografieren, während direkt vor seiner Nase eine nackte Französin vorbeimarschierte. Das war Cecil.
    Aber Carl wollte jetzt nicht über seinen älteren Bruder nachdenken. Später, wenn er allein war, würde er dafür Zeit haben.
    Er lehnte sich an den Maschendrahtzaun und ließ seinen Blick über den Hof schweifen. Ständige Wachsamkeit war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Zwanzig Jahre im Zuchthaus hatten ihn gelehrt, immer auf der Hut zu sein, um gleich beim ersten Anzeichen von Ärger reagieren zu können. Er hatte eine Menge Einfluß und einen großen Kreis von Freunden, aber war nicht bei allen beliebt.
    Drüben auf der anderen Seite des Hofs tummelte sich ein Trupp schwarzer Gewichtheber, die ihre gutgeölten Muskeln spielen ließen und ihn mit blankem Haß anstarrten, bloß weil er nicht einer von ihnen war. Da regten sich die Leute draußen über Bandenkriege, Straßenkämpfe und Vendettas
auf. Lachhaft! Keiner, der nicht im Knast gewesen war, hatte von Banden auch nur einen blassen Schimmer. In keiner Gesellschaft auf der ganzen beschissenen Welt gab es Ausgrenzung, Polarisierung und Diskriminierung wie in der Zuchthausgesellschaft.
    Er hatte Meinungsverschiedenheiten mit den schwarzen Häftlingen gehabt, die zum Austausch von Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten geführt und zwangsläufig disziplinarische Maßnahmen nach sich gezogen hatten.
    Aber weder heute noch an irgendeinem anderen Tag in absehbarer Zukunft würde er sich mit irgend jemandem hier anlegen. Bis zu dem Tag, an dem er und Myron zum Straßenbautrupp abkommandiert würden, wollte Carl Herbold sich vorbildlich benehmen. Das Arbeitsprogramm war eine Neueinführung im Rahmen der Gefängnisreform, die es sich zum Ziel erklärt hatte, den Häftlingen das Gefühl zu vermitteln, wieder nützliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Die sozialen Aspekte interessierten ihn natürlich einen Dreck. Ihn interessierte einzig, was es für ihn persönlich bedeutete. Wenn die ihn aufriefen, den Bau hier zu verlassen, um draußen zu arbeiten, würde er als erster im Bus sitzen.
    Und deshalb verhielt er sich ruhig und tat nichts, wodurch er sich bei den Wärtern auffällig gemacht hätte. Keine Regelverstöße, keine Prügeleien, nicht einmal Widerspenstigkeit. Wenn er ein Schimpfwort aufschnappte, das gegen ihn gerichtet war, überhörte er es. Was ihm nicht paßte, übersah er. Neulich nachts hatte er untätig zuschauen müssen, wie Myron einem Kerl einen blies. Der andere, ein dreckiger Weißer, der seine Frau umgebracht und zwei Jahre seiner lebenslänglichen Strafe abgesessen hatte, hatte Myron mit einer Belohnung gelockt, woraufhin der sich sofort breitschlagen ließ.
    Die aggressiveren Häftlinge versuchten häufig, Myrons Schwachsinn auszunutzen. Im allgemeinen pflegte Carl
dann
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