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Nachtengel

Titel: Nachtengel
Autoren: Danuta Reah
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also nicht die Einzige, die sich in dieser Nacht zum Snake Pass aufmachte. Die Scheinwerfer eines Wagens hinter sich zu haben würde tröstlich sein und das Gefühl vertreiben, die Welt sei untergegangen und sie wäre die einsame Überlebende einer Katastrophe. Aber auf dem letzten ebenen Stück, bevor die Straße anstieg, kam der Wagen hinter ihr näher und überholte sie zügig und mühelos. Aufgeblasener Geldsack. Teilnahmslos sah sie die Rücklichter vor sich in der Dunkelheit verschwinden. Sie war bekiffter, als sie gedacht hatte, und musste vorsichtig fahren.
    Sie fröstelte und drehte die Heizung auf. Der Wind heulte und drückte den Motorengeruch ins Wageninnere. Ihre Füße waren heiß, aber sonst fror sie in der eiskalten Luft, die durch die undichten Fenster und die klappernde Tür hereinkam.
    Sie fuhr hinter Glossop den Berg hinauf. Die Straße machte eine Rechtskurve und führte dann an einem Haus vorbei, durch dessen Fenster ein warmer Lichtschein auf die Straße drang, dann nach links. Auf der einen Seite waren Felsen, auf der anderen ein schroffer Abhang. Es war eine lange, steile Steigung. Sie schaltete in den dritten, dann in den zweiten Gang herunter. Der Motor dröhnte. Weiße Wölkchen flogen vor ihr durch die Luft, und plötzlich steckte sie in einer Nebelbank, in der die grellen Scheinwerfer sie blendeten. Sie fuhr langsamer, spähte hinaus und versuchte, etwas zu erkennen, denn auch die Scheibenwischer halfen nichts. Dann war es wieder klar, die Scheinwerfer beleuchteten die nasse Straße, die Felsen und das Gras des Heidemoors, auf dem ein Schaf hinter einem Felsbrocken Schutz suchte. Sie war fast auf dem Gipfel, und die Straße stieg nicht mehr an. Um sie herum war nichts als wilde Landschaft, flaches Torfmoor und Grasbüschel. Ihre Scheinwerfer spiegelten sich im Wasser der dunklen Tümpel. Bald würde die Straße abfallen, an Doctor's Gate vorbei, zwischen Bleaklow und Kinder Scout hinunter, zwischen dicken Bäumen hindurch und weiter durch die leere Nacht.
    Sie war halb in Trance, die Straße verschwand unter den Rädern. Bald zu Hause, bald zu Hause ging es ihr wie ein beruhigendes Mantra durch den Kopf. Sie dachte an Luke und fragte sich, ob sie ihn anrufen solle, wenn sie heimkam. Die letzten paar Monate mit ihm waren schön gewesen. Er würde ihr fehlen … Lichter tanzten durch die Dunkelheit, und sie betrachtete sie teilnahmslos. Der Wagen geriet ins Schleudern, sie schreckte auf und konzentrierte sich. Den Joint zu rauchen war eine schlechte Idee gewesen. Ärgerlich kurbelte sie das Fenster herunter und zuckte zurück, als der Regen auf ihr Gesicht und ihren Arm traf. Waren da Lichter vor ihr? Sie erinnerte sich an den Wagen, der sie überholt hatte, als sie aus Glossop herausfuhr. Aufgeblasener Geldsack … Sie versuchte, sich zu erinnern, wie der Wagen ausgesehen hatte. Dunkel, es war ein dunkles Auto gewesen …
    Ohne jegliche Vorwarnung streikte der Motor ihres Wagens. Was zum …? Sie trat aufs Gas. Nichts. Sie sah auf den Benzinanzeiger. Noch halb voll. Sie hatte heute früh aufgetankt. Der Wagen rollte noch ein Stück weiter, wurde immer langsamer. Sie fuhr an die Seite und blieb stehen. Was nun …? Das Licht der Scheinwerfer brach eine Schneise durch Regen und Finsternis. Ihr war kalt. Mit steifen, ungeschickten Fingern drehte sie den Schlüssel im Zündschloss. Der Motor jammerte ein paar Mal, sprang aber nicht an. Sie versuchte es noch einmal und bemerkte, dass das Scheinwerferlicht dunkler wurde. Schnell schaltete sie die Scheinwerfer aus. Die Batterie war alt. Sie hätte das Licht sofort abdrehen sollen.
    Sie saß da, starrte in die Dunkelheit und hörte den Regen aufs Dach und gegen die Türen trommeln und den Wind pfeifen. Dann sah sie die Lichter vor sich. Plötzlich kamen aus der Finsternis zwei Lichtpunkte auf sie zu. Wie von einem Auto, aber … es waren Rücklichter, ein Auto kam rückwärts auf sie zugefahren. Ein großes Auto, ein dunkles? Sie drehte den Schlüssel noch einmal im Schloss, und der Motor schien anzuspringen, starb dann aber wieder ab.
    Der Motor war tot.

2
    Sheffield, Freitag, 7 Uhr 30
    Es war ein kalter Morgen. Der Regen vom Abend zuvor war gefroren und machte die Gehwege gefährlich glatt. Dort, wo das Eis zerbrochen war, bildete es weiße Muster auf den Pfützen. Als die Sonne aufging, war der Himmel wolkenlos.
    Roz zitterte, als sie aus dem Auto ausstieg und die Kälte sie traf. Ihr Atem hing wie eine Wolke in der Luft. Der Parkplatz
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