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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
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Sprechgitter der Kassiererkabine.
    »Nein. Ich möchte nur verhindern, dass jemand getötet wird. Und ich denke dabei vor allem an mich selbst.«
    »Was wollen Sie?«
    »Einige Dinge mit Ihnen besprechen. Erstens – Sie wollen nach Kuba fliegen … Wissen Sie, was man in Kuba mit Ihnen macht? Man steckt Sie ins Gefängnis. Auf Lebenszeit. Von dem Typen, der als Letzter ein Flugzeug nach Kuba entführt hat, hat man seit 1972 nichts mehr gehört. Die Kubaner mögen ja Kommunisten sein und dauernd von Humanität reden, aber sie haben was gegen Kriminelle. Sie stecken Sie in einen feuchten Kerker voller Ratten, und nach einiger Zeit werden Sie aussehen wie der Graf von Montecristo. Das Gefängnis in Stillwater ist ein verdammter Garten Eden im Vergleich mit allem, was Sie in Kuba erwartet.«
    »Vielleicht gehe ich ja das Risiko ein«, sagte Scott. Er spielt den harten Mann, dachte Lucas. Er konnte Scott durch das Glas der Kabine deutlich sehen: das strohblonde Haar, das grobe, gerötete Gesicht, die Brille mit Plastikgestell und die Coca-Cola-Uniform.
    »Sehen Sie die Horde von Fernsehleuten da draußen? Wie wär’s, wenn wir ein Kamerateam herholen und Ihnen die Gelegenheit geben, vor aller Welt eine Aussage darüber zu machen, was Sie für Alie’e getan haben? Dann widerrufen Sie vor laufender Kamera die Sache mit Kuba und die Drohung, unschuldige Geiseln umzubringen, damit jeder erkennt, dass Sie kein dummes Arschloch sind – und dann geben Sie auf und erklären uns die Hintergründe für Ihre Aktionen. Sie kriegen natürlich sofort Rechtsbeistand und alles, was Ihnen zusteht. Man wird Sie gut behandeln.«
    »Welcher Kanal?«, fragte Scott.
    Jetzt hab ich dich, dachte Lucas. »Welchen auch immer Sie wünschen«, sagte er. »Ich würde Ihnen Kanal neunundzwanzig empfehlen, weil er zu Fox gehört, und Fox hat die beste Nachrichtensendung, wie Sie sicher wissen.«
    »Nein, nein. Nicht diese Fox-Scheiße. Kanal drei – das ist doch CBS hier unten, oder?«
    »Ja.«
    »Dann will ich mit jemand von Kanal drei reden; mal seh’n, was die mir zu sagen haben«, entschied sich Scott.
    Lucas ging zurück zur Absperrung.
    »Hat sich was ergeben?«, fragte Rose Marie.
    »Ja, ich habe ihm das Fernsehen schmackhaft gemacht«, antwortete Lucas. »Ich hole ein Team ran.«
    Er hatte das Gefühl, durch kniehohen Schlamm zu waten. Ginger House von Kanal drei stand vor ihrem Ü-Wagen, und er deutete auf sie, winkte sie zu sich. Sie tippte sich fragend auf die Brust, und Lucas nickte, rief: »Bringen Sie Ihren Kameramann mit.«
    Sie kam zu ihm getrottet, den Kameramann im Schlepptau, und die anderen Reporter schrien wegen dieser Bevorzugung giftige Kommentare zu ihnen herüber. Lucas sagte zu der Reporterin: »Sie geraten jetzt so tief in meine Schuld, dass Sie es wohl nie mehr zurückzahlen können.«
    »Was?« Sie war ein hübscher Rotkopf mit Sommersprossen auf der schmalen Nase.
    »Wir gehen jetzt da rüber, und der Kerl wird Ihnen ein Interview geben, und daraus wiederum kann sich eine positive Entwicklung der Situation ergeben.«
    »Ist das gefährlich?«, fragte sie. Sie schien zu zögern.
    »Nein, das glaube ich nicht …«
    »Weißt du, was gefährlich ist?«, schaltete sich der Kameramann ein. »Es ist gefährlich für dich, das abzulehnen, denn wenn du es tust, schwöre ich bei Gott, dass ich zum Truck gehe, meinen Revolver hole und dir eine Kugel in den Kopf jage. Jeder gottverdammte Mensch auf dieser Welt wird uns zusehen, wenn wir das aufnehmen. Wir werden Stars, kapierst du das denn nicht?«
    »Oder Leichen«, sagte sie.
    »Zum Teufel, du bist eine zweitrangige Lokalreporterin in Minneapolis. Das ist nicht viel mehr als eine Leiche.«
    Sie dachte noch einen Moment darüber nach, sagte dann: »Okay.« Auf dem Weg zur Tankstelle sagte sie zu Lucas: »Ich muss Ihnen doch nicht etwa zum Dank einen blasen oder so was?«
    »Nun ja, das ist in solchen Fällen fester Bestandteil der Abmachung«, sagte Lucas.
    »Vielleicht reicht’s ja, dass ich Ihnen beschreibe, wie ich es anstellen würde, und Sie besorgen den Rest selber«, sagte sie und versuchte ein süßliches Lächeln; aber sie war aufgeregt. »Was sage ich denn zu ihm?«
    »Greifen Sie einfach in Ihre Klischeekiste«, sagte Lucas.
     
     
    Lucas stieß die Außentür auf, sagte: »Das ist Ginger House von Kanal drei.« Der Kameramann richtete seine Linse auf Scott, und Ginger sagte: »Ich muss reinkommen, um die Einführung mit Ihnen im Hintergrund zu machen. Ich habe
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