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Nacht

Nacht

Titel: Nacht
Autoren: Richard Laymon
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es, wenn Sie in ein Motel gingen?«
    »Um diese Uhrzeit?«
    »Die meisten Motels unten am Highway sind die ganze Nacht offen. Vielleicht muss man irgendwo klingeln oder so, aber …«
    »Das meinen Sie doch nicht ernst! Hier bin ich doch zehnmal sicherer, als wenn ich mitten in der Nacht noch in irgendein Motel fahre. Haben Sie eigentlich noch nie von Norman Bates gehört?«
    »Sie müssen ja nicht unter die Dusche gehen!«
    »Nein danke. Ich bleibe lieber hier.«
    Tony schwieg einen Moment lang, und ich fragte mich, worüber er wohl nachdachte. Schließlich begann er: »Und wenn ich einfach rüberkomme? Nur damit Sie nicht alleine sind, wenn dieser Kerl wiederkommt.«
    Sein Vorschlag war nicht gerade die Überraschung des Jahrhunderts, und irgendwie fühlte ich mich dabei nicht wohl.
    »Danke für das Angebot, Tony, aber ich halte nicht viel davon.«

    »Stimmt, wir kennen uns nicht gut, aber …«
    »Wir kennen uns überhaupt nicht«, sagte ich. »Sie haben sich verwählt, haben hier was auf den Anrufbeantworter gesprochen, und dann haben wir ein paar Minuten lang miteinander telefoniert.
    Ist das Grund genug für Sie, einfach herzukommen?«
    »Ich mache mir Sorgen um Sie.«
    »Kann schon sein, aber woher soll ich wissen, dass das auch stimmt? Vielleicht ist das alles ein abgekartetes Spiel. Da badet jemand in unserem Pool, und ausgerechnet da rufen Sie an …«
    »Ich habe mich verwählt!«
    »Vielleicht stimmt das, vielleicht auch nicht.«
    »Au weia«, sagte Tony.
    Dann schwieg er eine Weile.
    »Was auch immer«, sagte er schließlich. »Es ist schon spät. Ich gehe jetzt schlafen. Viel Glück mit dem Einbrecher, Alice. War nett, mit Ihnen zu reden. Machen Sie’s gut.«
    Und dann legte er auf.

    Exitus
    Mein Gott, was für ein Telefonat!
    Ich legte auch auf und ging durch die Dunkelheit langsam zurück zur Glastür.
    Wo der Fremde sie abgeleckt und sein nasses Gesicht daran gerieben hatte, war die Glasscheibe ganz verschmiert. Stellenweise sah sie aus wie die Windschutzscheibe eines Autos, dessen Scheibenwischer nicht mehr in Ordnung waren.
    Ich suchte mir eine klare Stelle und blickte hinaus. Dabei kam ich mir vor, als würde ich über die Schulter des nicht mehr vorhandenen Fremden blicken.
    Tonys Warnungen hatten mich nervös gemacht. Vielleicht kam der Mann Ja wirklich zurück.
    Und vielleicht würde er sich beim nächsten Mal nicht mehr von einer Glastür aufhalten lassen.
    So richtig aufgehalten hatte sie ihn eigentlich auch diesmal nicht.
    Vor meinem geistigen Auge sah ich immer noch, wie er seinen nackten Körper an der Scheibe rieb.
    Ich tat mein Bestes, um diese Bilder aus meinem Gedächtnis zu verbannen und starrte weiter nach draußen. Gute zehn Minuten stand ich so da, um mich zu vergewissern, dass die Luft auch wirklich rein war, und während der ganzen Zeit über gingen mir die seltsamsten Fantasien durch den Kopf.
    Wäre der Fremde immer noch da – und gäbe es die Glasscheibe nicht – würde er seinen nackten Körper jetzt an mir reiben, würde mich ablecken und anspritzen.
    Als mir das klar wurde, trat ich hastig einen Schritt von der Tür zurück und sah im Mondlicht auf einmal alles, was er auf der Scheibe hinterlassen hatte.
    Mir wurde schlecht. Am ganzen Leib zitternd zog ich den Vorhang zu und drehte mich um. Dann nahm ich meine Tasche vom Sofa und machte mich auf den Weg zur Tür. Ich öffnete sie und trat hinaus auf den Flur. Jetzt war ich froh, dass dort eine Lampe brannte.
    Diesmal machte es mir auch nichts aus, dass man mich durch die Fenster des Esszimmers sehen konnte.
    Obwohl – das stimmt nicht ganz. Ich hatte noch immer Angst, gesehen zu werden, aber ich ließ mich davon nicht mehr aufhalten.
    Rasch ging ich durchs Esszimmer. Mein Spiegelbild bewegte sich über die Fensterscheiben, hinter denen nichts als Dunkelheit zu sehen war.
    Ich hatte die Tasche in der Hand, und meine nackten Beine leuchteten beim Gehen aus dem Kimono hervor, als wäre er eines von diesen langen, geschlitzten Abendkleidern.
    Ich sah aus wie die Heldin in einem Viktorianischen Schauerroman.
    Oder wie eine Irre aus einem Horrorfilm.
    Besonders als ich vor dem Kamin auf die Zehenspitzen ging und mit beiden Händen den Säbel von der Wand nahm.
    Er fühlte sich schwer und gut an.
    Ich trat vom Kamin zurück und vollführte, während ich mein Spiegelbild in einer der Fensterscheiben betrachtete, mit dem Säbel ein paar Hiebe durch die Luft.
    Ob er mir dabei wohl von draußen zusah?
    Mit dem Flurlicht im
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