Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
einen Donut, Whitey?«, fragte Clete.
»Hätt ich nix dagegen ... Danke, Purcel ... Ich sitz hier fest ... Dock hat gesagt, ich soll hier bleiben, für den Fall, dass seine Frau doch noch mit ihm im Copeland’s frühstücken will.«
»Dock kapiert anscheinend gar nix mehr«, sagte Clete.
»Meinst du wegen dem Streit? So geht das ständig. Dock kann auf allerhand verzichten, aber auf seine Frau ganz bestimmt nicht.«
»O ja?«, sagte Clete.
»Dock is’ meschugge, aber er is’ nicht so meschugge, dass er nicht weiß, dass seine Frau diejenige in der Familie is’, die den Grips hat.«
»Die große Liebe also«, sagte Clete.
»Wer hat denn das Casino drunten gebaut?«, sagte Whitey. »Organisierte Jungs, blitzschlaue Typen aus Chicago und Las Vegas, stimmt’s? Und wo haben sie’s hingebaut? Zwischen dem Louis Armstrong Park und den Iberville Projects, den zwei gefährlichsten Gegenden von ganz New Orleans. Alles, was du da drin gewinnst, knöpfen dir die Straßenräuber draußen gleich wieder ab. Is’ das nicht scheißschlau? Meinst du etwa, die hiesigen Macker kapieren die Lektion nicht?«
Clete und ich schauten uns an.
Zwanzig Minuten später fuhren wir auf dem 1-10 am Lake Pontchartrain vorbei. Über den Bäumen am Nordufer hing dichter Nebel, und über dem See regnete es.
»Über sie laufen die Drähte von den Mafiosi und Jimmy Ray Dixon zu Buford LaRose und unserer künftigen Regierung, nicht wahr?«, sagte Clete.
»So seh ich das auch.«
»Ich glaube, das übersteh ich nicht – dass mir ’ne Matschbirne wie Whitey Zeroski so was erklären muss«, sagte er.
Am nächsten Morgen fuhr ich zu Sabelle Crown’s Bar bei der Unterführung in Lafayette. Der schwarze Barkeeper sagte mir, dass sie auf dem städtischen Golfplatz sei.
»Auf dem Golfplatz?«, fragte ich.
»Da geht sie immer hin, wenn sie ihre Ruhe haben will«, sagte er.
Er hatte Recht. Sie saß auf einer Bank unter einer Eiche am Rande des ersten Fairway, hatte ein Tuch um den Kopf geschlungen und warf den Tauben trockene Brotkrumen zu. Der Himmel war grau und verhangen, und die Blätter fielen von den Bäumen am Horizont.
»Dein alter Herr wollte Jimmy Ray Dixon unter seinem Auto zerquetschen«, sagte ich.
»Was du nicht alles weißt«, erwiderte sie.
»Sabelle, wer hat dich in die Szene eingeführt?«
»Du weißt doch, was das angeht, hab ich einen totalen Aussetzer.«
»Du bist von New Iberia nach New Orleans gezogen, und dann warst du mit einem Mal weg, angeblich in Richtung Norden.«
»Dave, das geht nur mich was an. Buford LaRose wollte Daddy draußen am Atchafalaya umbringen lassen. Hast du immer noch nicht genug?«
»Bist du in Chicago gewesen?«, fragte ich.
Sie verstreute die letzten Brotkrumen, rieb sich die Hände, stand auf und ging zu ihrem Wagen. Ich sah, wie der Wind hinten an ihrem Kopftuch zerrte.
Ich war kaum im Büro, als mich der Sheriff anrief.
»Ich bin im Bezirk Vermilion. Lassen Sie alles stehen und liegen und kommen Sie rüber, wenn Sie mal eine kleine Lektion in Sachen Geschichte erleben wollen«, sagte er.
»Worum geht’s?«
»Sie haben doch gesagt, dieser Mookie Zerrang war Knochenbrecher an der Küste von Mississippi und Killer für den Mob in Miami?«
»So ist es.«
»Schweifen Sie mal nicht so weit in die Ferne.«
Ich meldete mich ab und traf mich mit dem Sheriff auf einem Fahrweg, der zu einer alten Holzbrücke mit stählernen Stützpfeilern führte, die etwa zehn Meilen südlich von Lafayette den Fluss überspannte. Er lehnte am Streifenwagen und schnitt sich eine Scheibe Blutwurst ab. Der Himmel hatte inzwischen aufgeklart, und das Wasser glitzerte wie gehämmertes Gold in der Sonne. Der Sheriff wischte sich den Mund ab.
»Mann, ich mag dieses Zeug«, seufzte er. »Mein Arzt sagt, meine Arterien sehen wahrscheinlich aus wie die Kloaken von Paris. Ich frag mich bloß, was er damit meint.«
»Was machen wir hier eigentlich, Skipper?«, fragte ich.
»Mir ist der Name ›Zerrang‹ ständig durch den Kopf gegangen. Dann ist mir die Geschichte mit dem kleinen Neger wieder eingefallen, die sich damals während des Zweiten Weltkriegs zugetragen hat. Können Sie sich noch dran erinnern? Der hat genauso geheißen.«
»Nein.«
»Doch, bestimmt. Er ist seinerzeit hingerichtet worden. Er war vierzehn, wahrscheinlich zurückgeblieben. Entweder war er zu klein für den elektrischen Stuhl, oder irgendwas hat nicht richtig funktioniert. Ich weiß es nicht mehr genau. Jedenfalls ist was ganz
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