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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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Ketten und ein Umhang aus schwarzem Satin und blutrotem Tüll vervollständigen das Partyoutfit des steinernen Gastes. Exakt pünktlich zur Mitternacht ist er fertig ausstaffiert. Weit entfernt sind nun die Trommeln von den Karnevalspartys zu hören.
    Bat lässt sich auf ihre Isomatte fallen und öffnet zwei Breezer.
    Â»Prost, Jana, let’s roll, auf dich!«
    Sie leert eine Flasche in schnellen Zügen, schüttet den Inhalt der anderen auf Janas Grab. Noch eine Flasche, nicht mehr ganz so schnell. Und eine Zigarette. Und Musik. Normalerweise reicht Bat ihr MP3-Player, stundenlang liegt sie oft so da, einen Kopfhörer im Ohr, den anderen auf Janas Grab und schaut in den Himmel. Was natürlich albern ist und trotzdem tröstlich und wer weiß schon wirklich, was die Toten mitkriegen? Heute Nacht aber genügt der MP3-Player nicht, heute wird sie tanzen,für Jana, mit Jana, auch wenn ihr beim Anblick des Grabsteins überhaupt nicht danach zumute ist.
    Sie beginnt soft, mit der Band Love Is Colder Than Death. Sphärisch und unheimlich klingt die hier auf dem Friedhof, ganz anders als in einem geschlossenen Raum. Der tragbare CD-Player von ihrer Mutter hat ordentlich Power, sie sollte ihn öfter mal ausleihen. Noch ein Breezer und noch einer für Jana, die beste Freundin, die es je gab. Sie wollten zusammen abhauen, wenn sie endlich achtzehn würden. Die Schule schmeißen, sich eine Wohnung nehmen, die sie zunächst mit irgendwelchen blöden Jobs finanzieren wollten und später mit dem Geld, das Jana als Sängerin verdienen würde und Bat als ihre Managerin, wenn sie die passende Band für Jana gefunden hätten. Sie hatten sich geschworen, sich nie zu verraten.
    Noch ein Breezer. Und jetzt Sisters of Mercy,
First and Last and Always.
Alt zwar, aber dennoch für immer eines der besten Alben. Endlos haben sie das zusammen gehört und darüber philosophiert, dass es mehr geben muss, als dieses öde Einerlei aus Schule und Angepasstsein und »Denkt doch an später«, das die Erwachsenen tagtäglich runterbeten, obwohl doch sonnenklar ist, dass die Welt vor die Hunde geht.
Black Planet,
singt der Mercy-Sänger.
Bury me Deep,
und auch wenn Bat jetzt die Tränen übers Gesicht laufen und bestimmt ihre ganze Schminke verschmieren, mit der sie sich soviel Mühe gegeben hat, hält sie ihr Versprechen und beginnt zu tanzen. Sie rammt die Absätze ihrer Doc-Martens-Stiefel in den Kies, dreht sich, springt, heult, grölt die Texte mit. Sie raucht dabei, trinkt schnelle Schlucke Bacardi und prostet dem Engel zu.
    Sie haben behauptet, dass Jana vor den Zug gesprungen ist. Sie haben behauptet, dass Bat und die anderen aus dem Club daran Schuld seien, dass sie Jana verrücktgemacht hätten. Gruftis seien sie, fehlgeleitete Jugendliche, die den Tod verklärten. Es war total sinnlos, ihnen zu widersprechen. Außerdem fehlte Bat dazu die Kraft.
Jana hat sich umgebracht.
Es war wie ein Schlag, der alles andere auslöschte. Wenn sie dran denkt, sieht sie vor allem die zitternde Unterlippe ihrer Mutter vor sich. Ihre Mutter hatte noch mehr gesagt, drängte sich in Bats Zimmer, stammelte rum, wollte sie in den Arm nehmen, doch das kriegte Bat nur noch undeutlich mit.
Jana hat sich umgebracht.
Immer und immer wieder hörte sie nur diesen einen Satz. Vier grausame Worte, die sich um Bats Herz krampften, es in eine Stahlzange nahmen und zudrückten, bis es sich roh und blutig anfühlte.
    Erst als der Anfangsschock vorüber war, begann Bat zu begreifen, dass es eine Lüge war. Jana wollte nicht sterben. Und selbst wenn: Niemals hätte sie Bat ohne Abschied verlassen. Doch wenn Jana nicht freiwillig vor den Zug gesprungen war, musste jemand sie gestoßen haben. Jemand, der bislang damit durchgekommen ist, weil niemand außer Bat von ihm weiß, nicht einmal Fabian. Doch das wird sich ändern, bald, denn nach zwei Jahren Sucherei hat sie nun endlich eine Spur.
    Long Train
singen die Sisters of Mercy.
Heyheyhey.
Und Bat springt und dreht sich und schreit und ihre Tränen vermischen sich mit Schweiß und ihr Atem geht keuchend, aber sie lässt sich erst auf die Isomatte fallen, als sie bei
Some Kind of Stranger
angekommen sind, dem letzten Song auf der CD, sie hält durch, bis es wirklich nicht mehr geht, genauso wie Jana es früher tat.
    Der Engel sieht auf Bat herunter, sein Umhang flattert im Wind, als tanze er. Bat
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