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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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an diesem Tag, der Tätowierer erwartet ihn schon. Ein Mann, der ohne Zweifel sein eigenes Werbebanner ist, und Manni trotzdem noch mal fragt, ob er auch wirklich sicher sei, während er ihm die Vorlage zeigt. Sonjas Zeichen. Mühsam hat Manni es vor ein paar Tagen aus dem chinesischen Schriftzeichenangebot des Studios herausgesucht. Es sieht ein bisschen aus wie ein überdachter Stern.
    Â»Geht schon in Ordnung, fangen wir an.« Manni setzt sich auf den Behandlungsstuhl. Zuerst wollte er sich den Bauch tätowieren lassen, wie Sonja, dann hat er sich doch für den linken Oberarm entschieden, ein Rest Individualität kann schließlich nicht schaden. Der Tätowierer reinigt die Haut, beginnt dann die Konturen des Zeichens aufzumalen. Mannis Überraschung für Sonja. Sein Geschenk. Wird sie es mögen oder vor Schreck gleich wieder abhauen? Haben sie überhaupt eine Chance? Manni hat das vage Gefühl, dass das alles keineswegs einfach wird, doch er weiß, dass er es mit ihr versuchen will und dass das sehr viel mit ihr zu tun hat, aber auch etwas mit den vergangenen zwei Wochen.
    Â»Stillhalten jetzt, auch wenn’s ein bisschen ziept«, befiehlt der Tätowierer und wirft seine Maschine an.
    Manni nickt, spannt den Bizeps. Es gibt Schmerzen, die sich ziemlich gut aushalten lassen, andere weniger. Er beschließt, an diese anderen Stimmungsverderber erst wieder am Montag zu denken, nach seinem freien Wochenende mit Sonja.
    Das Zeichen brennt auf seinem Arm, als er eine halbe Stunde später das Studio verlässt. Leben. Ein gutes Motto.,,

Nachts
    Sie muss flach atmen, leise, denn wenn sie zu tief Luft holt, muss sie weinen, und dann muss sie schreien und kann nicht mehr aufhören damit.
    Sie atmet sehr vorsichtig und denkt an die Schönheit. Sie gibt sich große Mühe dabei. Die Schönheit ist wie eine Sommerwiese, mit einem weiten Himmel drüber. Saftiges Gras mit surrenden Insekten. Der feine Duft von Erde und Blüten und Tau. Sommerwiese, Sommerwiese, Sommerwiese, wiederholt sie stumm.
    Früher hat sie geglaubt, alle Menschen achteten die Schönheit. Sie hat versucht, selbst schön zu sein. Ein schönes Mädchen mit einem Traum.
    Jetzt ist sie nicht mehr so naiv, jetzt weiß sie mehr über die Menschen, als sie jemals wissen wollte, und trotzdem zerbricht bei jedem Gedanken daran etwas in ihr in abertausend Stücke, jeden Tag, jedes Mal. Nicht, wollte sie sagen. Bitte. Nein. Hört auf.
    Schönheit. Sie hat tatsächlich einmal geglaubt, das sei ein Wert, den alle Menschen respektieren.
    Sie hat nicht gewusst, dass es Bestien gibt, die in einem menschlichen Körper stecken. Kopf, Arme, Beine, Rumpf, das ist ein Mensch, hat sie gedacht. Ein Mensch, der fühlen kann und deshalb nicht zerstören will. Wie dumm sie war. Wie furchtbar dumm.
    Dort, wo sie ist, ist es dunkel und friedlich. Sie atmet sehr vorsichtig und denkt an die Schönheit.
    Manchmal kommt eine Frau und hält ihre Hand. Ganz leicht, ganz vorsichtig, als sei sie ein Vögelchen. Die Stimmeder Frau dringt bis in ihre Träume, spricht zu ihr in ihrer eigenen Sprache.
    Â»Wach auf, Swetlana«, fordert sie. »
Ty besopasnosti.
« Du bist in Sicherheit.

Nachwort
    Ein Roman ist ein Roman und erlaubt seiner Verfasserin folglich dichterische Freiheiten. Ortskundige Leser und Leserinnen werden schnell erkannt haben, dass es in Köln keine S-Bahn-Haltestelle Gewerbepark als Wendepunkt einer Linie S 5 gibt. Auch das Großbordell Amor, die Kunstfabrik und der Verein Frauen für Frauen existieren nur in diesem Buch. Ebenfalls erfunden sind alle Figuren. Den Straßenstrich Geestemünder Straße gibt es hingegen wirklich. Ebenfalls den Tatsachen entspricht, dass den Kölner Künstlern in den letzten Jahren durch Neubaumaßnahmen viel erschwinglicher Atelierraum verloren gegangen ist. Wahr sind auch die Geschichten der russischen Solowetzkij-Inseln, sowie jene des Volks der Sami.
    Ebenfalls auf Tatsachen beruhen die zitierten Daten und Statistiken zu Zwangsprostitution und häuslicher Gewalt. Auch das Kölner Modellprojekt »Häusliche Gewalt« am Rechtsmedizinischen Institut der Universität gibt es wirklich, ebenso den von der Nonne Lea Ackermann gegründeten Verein Solwodi (Solidarity with Women in Distress). Viele andere Frauenhilfsorganisationen kümmern sich in Köln und anderen Städten ebenfalls um in Not geratene Frauen –
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