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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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weg.
    Â»Bleib hier bei Swetlana, pass auf sie auf und schlag sofort Alarm, falls jemand Fremdes aufkreuzt«, sagt er zur Petrowa, die ohne Protest auf den Besucherstuhl sinkt. »Ich fahr zu den Noldens und schau nach, was da los ist.«
    Er überlegt, ob er direkt Verstärkung anfordern soll, entscheidet sich aber dagegen. Vielleicht hat Judith Krieger ihr Handy ausgeschaltet. Vielleicht ist auch einfach ihr Akku leer. Nolden, denkt er, Alexander Nolden, kann das wirklich sein, hatte die Krieger wieder mal recht? Die Erinnerungen an seine Eltern begleiten Manni ins vornehme Lindenthal. Seine Mutter hat sich geduckt, immer geduckt, wenn der Vater sie schlug. Eine Frau ohne Rückgrat, gefangen in einer verkorksten Ehe, hatte Manni geglaubt. War es nur eine Illusion, dass es im Hause Korzilius niemals zu einem Mord hätte kommen können, schon gar nicht, als Manni Karate erlernte? Oder wäre die Gewalt immer weiter eskaliert, wenn nicht der Schlaganfall seinen Vater zum Krüppel gemacht hätte?
    Die Ente Judith Kriegers parkt auf dem Bürgersteig vor der Villa mit der Hausnummer 45 , ein silberner Mercedes dahinter. Manni klingelt, mehrmals. Wählt ein weiteres Mal Judiths Handynummer. Nichts. Das Tor ist leicht zu überwinden. Bewegungsmelder erfassen Manni, als er über den Kiesweg zurHaustür trabt, fluten den Garten mit Licht. Die Eingangstür ist verschlossen, nichts bewegt sich dahinter, alles wirkt ruhig. Wo ist Judith Krieger, was ist passiert?
    Etwas stimmt hier nicht, überhaupt nicht. Manni eilt im Laufschritt um das Haus herum. Gedämpftes Licht fällt aus der bodentiefen Fensterfront des Wohnzimmers. Irgendein Geruch sticht Manni in die Nase, signalisiert Gefahr. Benzingas, verflucht. Adrenalin pumpt durch seinen Körper, als er die Fensterfront erreicht. Judith! Nein, nicht Judith, eine andere Frau liegt in ihrem Blut auf dem Parkett. Eine brennende Kerze klebt neben ihr in einer durchsichtigen Pfütze, sehr kurz, ohne Halter. Eine Stehlampe taucht das Szenario in sanftes Licht.
    Â»Feuerwehr, Notarzt, Verstärkung, sofort!« Manni schreit in sein Handy, greift, ohne nachzudenken, nach einem der schweren Steine aus einem Japangartenarrangement, wirft ihn in das Fenster. Der Benzingestank wird stärker, kommt ganz ohne Zweifel von drinnen. Nervtötendes Geheul erfüllt die Luft. Die Alarmanlage. Gut. Manni drückt mit der wattierten Schulter seiner Fliegerjacke Glasscherben aus dem Fensterrahmen, duckt sich ins Haus, die Walther in der Hand, rutscht fast aus. Der ganze Boden schwimmt in Benzin. Ein Sprung und Manni kniet vor der Kerze, reißt sie hoch, glühendes Wachs läuft in seine Handfläche, als er die Flamme erstickt, verzweifelt bemüht, keinen Funken entkommen zu lassen. Geschafft. Gut.
    Die Alarmanlage verstummt. Manni rutscht auf Knien zu der Frau hinüber. Aus ihren Pulsadern sickert Blut. Auf ihrer Schläfe prangt ein fettes Hämatom, sie atmet nicht mehr. Er späht unter das Sofa und den Couchtisch, entdeckt noch eine Kerze, sehr kurz, hungrig brennend. Er fühlt die Verbrennung nicht, als er auch sie erstickt. Widerspenstige Judith, anstrengende Judith, stur, so stur. Er hätte wissen müssen, dass sie nicht aufgibt, sie hat sogar versucht, ihn anzurufen, und er hat es nicht bemerkt. Hat nichts kapiert, wollte nicht hören, was sie ihm zu sagen versuchte, wollte ihr nicht glauben, wolltenicht verstehen. Angst treibt ihn hoch, so stark, wie er sie nicht kennt.
    Es ist zu still, zu totenstill. Nichts bewegt sich außer ihm. Das erneute Aufjaulen der Alarmanlage pumpt noch mehr Adrenalin durch seinen Körper. Manni entsichert die Walther, hastet auf den Flur. Noch mehr Benzin, noch eine Kerze. Die Hosenbeine eines Mannes, leblos aus einem Zimmer ragend. Manni läuft darauf zu, die Walther im Anschlag. Benzin auf dem Boden, ein Kanister nahe den Beinen, noch mehr Blut und ein weiterer Körper, halb begraben unter dem Gewicht des Mannes. Abgetretene Lederstiefel, Cargohosenbeine, so verdammt vertraut.
    Manni wälzt den Mann zur Seite. Es ist Nolden. Tot und schwer. Blut, überall ist Blut, auf Judiths Gesicht, in ihren Haaren, ihr ganzer Pullover ist durchtränkt. Er muss das Blut stillen, die Wunde finden, Judith stabilisieren. Atmet sie? Manni weiß es nicht, er sucht nach dem Puls an ihrem Hals, berührt ihre Wange, sie ist noch warm. Vorsichtig dreht er Judith in die stabile Seitenlage, und
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