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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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Himmel. Seine Arme sind ausgestreckt, als wolle er sie zu einem letzten Segen erheben oder denjenigen, der ihn ins Jenseits befördert hat, umarmen.
    Manni geht in die Hocke. Der Tote hat Blut verloren, viel Blut, seine Soutane ist voll davon und auch das Pflaster. Eine Wunde im Brustbereich scheint die Quelle zu sein, von einer Tatwaffe ist nichts zu sehen.
    Â»Shit«, sagt Manni, denn wer auch immer für diesen Mord verantwortlich ist, hat ihnen auf den Kirchentreppen eine Botschaft hinterlassen. Die Schrift ist rot, glänzend.Manni beugt sich noch tiefer und schnuppert. Farbe, kein Blut, was die Sache nur unwesentlich besser macht.
    Â»M Ö R D E R«, buchstabiert Karin Munzinger hinter ihm. »Aber das kann doch nicht … du glaubst doch nicht, dass das wirklich ihm hier gilt?«
    Manni zuckt die Schultern, richtet sich auf.
    Â»Sieht jedenfalls nicht nach einer Zufallsbegegnung aus.«
    Â»Vielleicht hat es ein Verrückter auf die katholische Kirche abgesehen.« Ralf Meuser steht plötzlich neben Manni und wirkt im grellen Licht der Strahler noch blasser und dünner als sonst.
    Â»Langsam, Ralf, noch wissen wir ja nicht einmal, ob unser Kandidat ein echter Priester ist.«
    Meuser befühlt den Stoff der Soutane. »Die wirkt nicht wie ein Karnevalskostüm. Auch sein Birett erscheint mir echt.«
    Â»Sein was?«
    Â»Sein Priesterhut.« Meuser zeigt auf einen schwarzen Stoffklumpen am anderen Ende der Stufen, dessen Form Manni entfernt an den Teekannenwärmer erinnert, den seine Oma früher benutzte.
    Â»Kleidung kann man kaufen.«
    Â»Soweit ich weiß, muss man sich für den Erwerb von Priesterkleidung als Priester ausweisen.«
    Ausweis, ein gutes Stichwort. Manni beginnt, die Hosentaschen des Toten zu untersuchen. Geldscheine, Münzen, Rosenkranz und Schlüssel. Keine Papiere. Wäre ja auch zu schön gewesen. Er nimmt den Schlüssel und probiert ihn am Seitenportal der Kirche. Er passt nicht. Klar.
    Die Lichtstimmung im Park verändert sich jäh, der Rettungswagen hat gewendet und rollt nun mit rotierendem Blaulicht zur Straße. Wie eine Erscheinung schreitet dieRechtsmedizinerin Ekaterina Petrowa aus dem Lichtergewirr auf sie zu. Sie wirkt noch winziger als sonst, weil sie ausnahmsweise mal keine Absätze trägt. Ihr silberner Lidschatten funkelt wie Eis, ihre kohlschwarzen Augen scannen den Tatort und saugen sich dann an dem Toten fest. Die Lebenden müssen sich mit einem knappen Nicken begnügen. Der Rettungswagen erreicht die Straße, sein Martinshorn heult auf.
    Â»Du weißt, wo die hinfahren, Ralf?«, fragt Manni.
    Meuser nickt.
    Â»Hat Bloch diesen Ritter noch näher beschrieben?«
    Â»Er war grau, sagt er. Wie ein Schatten.«
    Anfänger, denkt Manni böse und wünscht einen Augenblick lang, Judith Krieger wäre hier, weil die wenigstens anständige Vernehmungen führt. Aber die Kollegin Hauptkommissar ist nach ihrer letzten fast tödlichen Eskapade bis auf weiteres out of order, und im Präsidium sind ihre Karten alles andere als gut.
    Â»Der Zeuge stand unter Schock. Sein Bein ist gebrochen und wir haben seine Personalien … « Meuser plappert, bemüht, seinen Ruf zu retten.
    Die Petrowa bekreuzigt sich und kniet sich neben den Toten. Beinahe zärtlich lässt sie ihre Hände über seinen Körper gleiten.
    Â»Er wurde erstochen«, verkündet sie nach einer Weile. »Mit großer Wucht und einer langen Klinge.«
    Â»Die Tatwaffe ist ein Schwert!« Meuser klingt regelrecht enthusiastisch. »Also hat der Zeuge vielleicht recht, wir suchen einen Ritter …«
    Â»Wie lange ist er schon tot?«, fragt Manni, auch wenn er wenig Hoffnung hat, dass diese immergleiche Frage zufriedenstellend beantwortet wird. Doch hin und wieder geschehen noch Wunder.
    Â»Etwa vier Stunden«, erwidert die Rechtsmedizinerin nach einem Blick auf ihr Thermometer.
    Â»Die Stunde der Abrechnung«, sagt Meuser leise.
    Â»Wie bitte?«
    Â»Mitternacht, der Übergang zum Aschermittwoch. Man klagt Strohpuppen an und verbrennt sie, lässt sie für alle Sünden büßen.«
    Â»Der hier wurde aber nicht verbrannt«, widerspricht Manni und gestattet sich einen Blitzgedanken an Sonja, die sich jetzt gerade irgendwo in einem blaugrün schillernden Nixenfummel ohne ihn amüsiert, sicher zur Freude sämtlicher Kerle, die auf eine schnelle Nummer aus
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