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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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während endlich, endlich das rettende Martinshorngeheul näher kommt, tut er etwas, das er nie für möglich gehalten hätte: Er hält Judith Krieger fest und heult.

4 . T EIL
    Hoffnung
    as I walk away
    I look over my shoulder
    to see what I’m leaving behind
    pieces of puzzles
    and wishes on eyelashes fail
    and I’m feeling my way through the dark
    trying to find a light on somewhere
    I’m finding I’m falling
    in love with the dark over here
    THROUGH THE DARK
    KT Tunstall

Samstag, 21. Januar
    Sie träumt nicht mehr. Driftet durch die Nächte in wohltuender Leere, verliert jeden Abend den Sinn für die Zeit. Liegt in einem fremden Bett, halb weggetreten, was wohl an dem Medikamentencocktail liegt, den die Ärzte in ihren Körper trichtern. Es ist sehr schön auf eine Art, sie beginnt diese dunkle Stille zu mögen, begreift jetzt, warum Menschen valiumsüchtig werden. Man muss nichts fühlen in diesem Zustand. Nichts fühlen, nichts wissen, sich keiner Verantwortung stellen, nicht für die Vergangenheit und nicht für die Zukunft. Man muss nicht leben.
    Eine schwere Gehirnerschütterung. Ein angebrochener Wirbel, ohne Verletzung des Rückenmarks. Mehrere gebrochene Rippen. Ein lädierter Arm. Glück gehabt, sagen die Ärzte zu dieser Bilanz, immer wieder, jeden Morgen, beinahe als sei das ein Glaubensbekenntnis. Glück gehabt, Frau Krieger. Und ganz allmählich fahren sie die Medikamentendosierung herunter, und der Schmerz kommt zurück, wenn auch gedämpft, und sie lassen die ersten Besucher vor. Wie aus dem Nichts stehen sie plötzlich an Judiths Bett, überreichen Blumen und Obst und wiederholen die Formel vom Glück. Millstätt. Manni. Karl-Heinz Müller. Gero Sanders. Cora, die aus Judiths Wohnung anschleppt, was sie begehrt. Sogar Thea Markus, die sich für Judiths Ermittlungen bedankt und erzählt, dass sie sich nun endlich ein künstliches Kniegelenk implantieren lassen und danach aufs Malen verlegen will.
    Glück gehabt, Judith. Glück gehabt, sagen sie alle. Und sie nickt und sagt Ja, aber wenn sie wieder weg sind und die Schlafmittel noch nicht wirken, denkt sie darüber nach, ob dasstimmt. Ob es Glück sein kann, einen Menschen getötet zu haben.
    Â»Judith, hey.« Am Samstagnachmittag steht wieder Manni vor ihrem Bett, einen gigantischen Tulpenstrauß in den Händen, die kleine, dunkle Ekaterina Petrowa an seiner Seite. Was für ein Paar! Judith lächelt, tastet mit der intakten Rechten nach der Elektrobedienung, um das Kopfende ihres Bettes ein bisschen aufzurichten. Sie müsse Geduld haben, sagen die Ärzte. Noch so ein Wort mit G, das Judith misstrauisch macht. Ihre Besucher ziehen sich Stühle ans Bett, eine Schwester bringt eine weitere Vase.
    Â»Wir haben Nada«, berichtet Manni. »Ekaterina hatte den richtigen Riecher. Marlene Nolden hatte ihr mal erzählt, dass sie ein Haus in Frankreich besitzt, dort aber nie hinfährt. Tatsächlich hat Nolden Nada dort hingeschafft und begraben.«
    Â»Und dann hat er sein Auto im Saarland versenkt.«
    Manni nickt. »Es besteht keinerlei Zweifel, dass er Nadas Leiche darin transportiert hat, die KTU hat ihre helle Freude an all den Spuren und Fasern.«
    Â»Wie hat er Nada umgebracht?«
    Â»Sie hat Würgemale am Hals«, sagt die russische Rechtsmedizinerin. »Aber die Todesursache war ein Schädelbruch. Sie muss sich heftig gewehrt haben, schlug im Verlauf des Kampfes auf eine Kante, vermutlich von einem Tisch.«
    Ein paar Zentimeter, denkt Judith. Ein paar Zentimeter weniger, als ich vornüber auf den Couchtisch stürzte, und es wäre aus gewesen. Auch diese paar Zentimeter sind also Glück. Sie sieht Manni und Ekaterina Petrowa an. Sie wusste nicht, ob es ihr gelungen war, Noldens Halsschlagader mit der Glasscherbe zu zerfetzen, als er auf sie fiel. Der Schmerz seines Gewichts auf ihrem lädierten Körper war so stark, dass sie überzeugt war, er hätte sie getötet. Sie war erstaunt, wie leicht dieses Loslassen war, der Fall ins Nichts.
    Â»Danke für die Lebensrettung«, sagt sie zu Manni und Ekaterina. Es sind so karge Worte für etwas sehr Großes, aberdie beiden betonen augenblicklich, dass sie sich selbst gerettet habe, dass sie alle Glück gehabt hätten, denn wenn Manni nur ein paar Minuten später gekommen wäre und die Kerzen … Schon wieder Glück also, und
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