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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna
Autoren: Martin Cruz Smith
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daß Arkadi nur ein ganz leichtes Auf und Ab spürte und nur am gleichmäßigeren Wellenschlag erkannte, daß sie aufs offene Meer hinausfuhren.
    Entlang der Avenida Quinta mehrten sich die Anzeichen eines bevorstehenden Großereignisses, Brigada Especial mit vermummten Truppen des Innenministeriums parkten im Dunkel der Seitenstraßen, Motorradpolizisten mit weißen Helmen und gespornten Stiefeln schwangen sich auf ihre Maschinen; K9-Einheiten beschnüffelten die Menschenmenge, die vor dem Haus der Bauarbeitergewerkschaft anstand, dem ehemaligen Havana Yacht Club. Ofelias PNR-Marke nutzte nichts, doch von irgendwoher zückte Mostowoi einen Ausweis, der ihnen Einlaß verschaffte.
    Es gab deutliche Anzeichen dafür, daß die Noche Folklorica ein wichtigeres Ereignis war, als Ofelia gedacht hatte. Ein wesentliches Element der nationalen Sicherheit bestand darin, daß niemand wußte, in welcher seiner Residenzen der Commandante jeweils schlafen, geschweige denn, an welchen Veranstaltungen er teilnehmen würde. Doch wenn er irgendwo auftauchte, wurden immer gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Reifenspuren auf dem Rasen führten zu drei gepanzerten Mercedes, einer Ambulanz, Übertragungswagen von Radio und Fernsehen, zwei Transportern für Hunde, einem Kreis von Soldaten und einem Kordon von Männern in Hemd und Windjacke, die Zeitungen über Funkgeräte hielten und offenbar ziellos herumstanden, jedoch blitzschnell in Aktion traten, sobald ein Gast den vorgeschriebenen Parcour der Auffahrt verlassen wollte. Die beiden imposanten Haupttreppen des Gebäudes vereinigten sich in einer zentralen Veranda, auf der Soldaten ihre kontrollierenden Blicke über die Menge schweifen ließen, die nach Ofelias Ansicht allerdings kaum zu Ausschreitungen neigen würde. Ein paar offiziell anerkannte Santeria-Priester waren dabei, doch sie sah vor allem steife Ministerial- und Militärkarrieristen samt Gattinnen, die gehorsam der vorgesehenen Route um das Gebäude zur Meerseite des Clubs folgten. Hin und wieder wurde ein Mann abgetastet oder die Handtasche einer Frau durchsucht, doch Ofelia und Mostowoi wurden durchgewinkt, und der Fotograf drängte sich trotz Kamerataschen so flink durch die Menge, daß sie ihm kaum folgen konnte.
    »Warum sollte Arkadi sich hier mit uns treffen wollen?« fragte Ofelia. »Wie soll er überhaupt hier reinkommen?«
    »Er war schon einmal hier«, sagte Mostowoi. »Der Mann kommt halt rum.«
    Ofelia erinnerte sich, daß die Noche Folklorica das Ereignis war, nach dem Arkadi gefragt hatte. Wenn er seine Meinung geändert hatte und doch nicht mehr mit O’Brien und Walls reden wollte, sollte ihr das nur recht sein. Sie sah die hinter den Palmen aufgefächerten Farben der Tänzer, blau für Yemayä, gelb für Ochün. Der Strand wurde von Soldaten bewacht. Am Ende des Anlegestegs hatte ein schwarzes Patrouillenboot festgemacht. Alles Licht und alle Geräusche konzentrierten sich auf einer unüberdachten Bühne am Strand. Die Noche Folklorica hatte bereits begonnen. Von den Baikonen des Clubhauses ließen Männer in Zivil ihren Blick über die Menge schweifen. Die meisten Leute standen auf dem Hof um die Bühne, doch es gab auch eine Tribüne mit fünf Rängen für besondere Gäste. Sie erkannte nur die Gestalt in der Mitte der ersten Reihe, einen Mann mit einem flachen, beinahe griechischen Profil, eingerahmt von drahtigen grauen Haaren und einem Bart - das Gesicht, das die zweite Sonne ihres Lebens war. Und daneben ein leerer Stuhl.
    Die Tür ging auf, und O’Brien spähte hinein und sagte: »Kommen Sie. Der Abend ist einfach zu schön, um ihn zu verpassen.«
    Arkadi stieg an Deck. So weit vom Ufer entfernt schwamm die »Gavilan« unter einem Zelt aus Sternen. Walls hielt das Boot im Schrittempo parallel zum Ufer. Neben seiner Zigarre hielt O’Brien lässig, aber keineswegs nachlässig auch noch eine Pistole in der Hand, deren Lauf durch einen Schalldämpfer verlängert war. Der Yachthafen war nicht mehr zu sehen, doch am Ufer von Miramar erstrahlte ein sehr viel breiteres Band aus Lichtern, Musik und Trubel. Arkadi erkannte den im gleißenden Scheinwerferlicht erstrahlenden Havana Yacht Club. Auf dem Hof, der zum Strand hinunterführte, hatte sich vor einer Tribüne eine Menschenmenge um eine Bühne versammelt.
    Außer den Scheinwerfern leuchteten die farbigen Lichter eines Karnevals, doch die beiden Anlegestege des Clubs waren bis auf ein schwarzes Patrouillenboot, das festgemacht hatte, um das Schauspiel
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