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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna
Autoren: Martin Cruz Smith
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wirkt. Natürlich nicht bei Ihnen.«
    »Wohin und wann genau wollte Arkadi kommen?«
    »Direkt hierher. Wer kann das bei Renko schon so genau sagen?« Mostowoi zog den Reißverschluß seiner Kameratasche auf und nahm einen Blitz heraus, den er auf seine Kamera montierte. Das Gerät gab beim Aufladen einen leise wimmernden Ton von sich.
    »Keine Fotos.« Ofelia hatte sich gerade einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt und wollte sich keinesfalls blenden lassen. »Sie sehen ja dauernd auf die Uhr.«
    »Wegen Arkadi.«
    Das weiße Licht brannte in ihren Augen. Es traf sie unvorbereitet, weil Mostowoi die Kamera nicht vors Gesicht gehoben, sondern aus der Hüfte abgedrückt hatte. Sie sah nichts außer dem starren Bild des Blitzwürfels und dem Grinsen des Fotografen.
    »Wenn Sie das noch mal machen«, sagte sie, »zerstöre ich Ihre Kamera.«
    »Es tut mir leid, ich konnte einfach nicht widerstehen.«
     
    War das ein Signal? Arkadi bemerkte, daß Walls die Fahrt der »Gavilan« nach dem Aufblitzen eines Lichts vor dem Kasino beschleunigte und noch näher ans Ufer steuerte. Warum reagierte das Küstenschutzboot an dem Anlegesteg nicht?
    »Wenn mein Freund John O’Brien etwas plant«, sagte Walls, »hat jedes i einen Punkt und jedes t einen Strich.«
    »Danke, George. Der Teufel steckt, wie man so sagt, im Detail. Und wo wir gerade vom Teufel sprechen…«
    Vor ihnen trieb ein neumätico im Wasser, der mit den Händen eine brennende Kerze abschirmte. Während Walls den Motor wieder in den Leerlauf drosselte, löschte der neumätico die Kerze und paddelte zum Heck der »Gavilan«, wo Walls ihm an Bord half und den Schlauch über eine Klampe am Heckwerk warf. Luna stand tropfend im Steuerstand. Naß, wie er war, sah er aus wie eine modrige exhumierte Leiche. Er starrte Arkadi erwartungsvoll an.
    »Jetzt werden Sie wissen, wie es ist«, versprach Luna.
    »Wie was ist?«
    »Tut mir leid, Arkadi«, sagte O’Brien. »Es ist an der Zeit, den Mantel aufzugeben. Oder, um genau zu sein, alles aufzugeben. Sie können es selbst machen, oder wir können es für Sie tun.«
    Während Walls den Mantel und Arkadis übrige Kleidung entgegennahm, ging Luna unter Deck, um sich umzuziehen, eine Zurückhaltung, die Arkadi überraschte. Der Sargento kam in seiner Uniform wieder nach oben und platzte fast vor Aggressivität. Arkadi fragte sich, wie er es je geschafft hatte, Luna gegen eine Wand zu schleudern. Er selbst war weit jenseits von Hanteltraining oder Gewichtsproblemen. O’Brien befahl ihm, Lunas durchgeweichte Shorts und sein Hemd überzuziehen. Er fühlte sich immer noch relativ sicher, bis er auch die Schwimmflossen überstreifen mußte und ihm bewußt wurde, daß es ziemlich schwierig gewesen wäre, einem Toten Schwimmflossen anzuziehen. Er fühlte sich unsicher und lächerlich. Trotzdem mußte jeden Moment ein Patrouillenboot auftauchen.
    O’Brien hielt den Riemen seines Fernglases fest, als er es Arkadi gab und sagte: »Schauen Sie sich an, wie es endet.« Auf der Bühne bewegte sich ein Gewühl goldener Tänzerinnen in einem schneller werdenden Rhythmus. Töchter von Ochün, dachte Arkadi. Nun, soviel hatte er gelernt. Die Bombe würde nicht durch einen Zeitzünder zur Detonation gebracht werden, weil es bei einem öffentlichen Ereignis wie diesem zu viele Unwägbarkeiten gab. Die hinteren Reihen der Tribüne hatten sich sichtlich geleert. Erasmo fuhr mit seinem Rollstuhl rückwärts von der Bühne. Schweißtropfen flogen von den Körpern der Tänzerinnen. Neben der Bühne blickte ein Dutzend Männer auf ihre Armbanduhren. In der ersten Reihe schienen Changö und der Mäximo Lider durch das wilde Treiben auf der Bühne hindurchzusehen. Wie die Tänzerinnen noch schneller werden konnten, war Arkadi unbegreiflich, aber sie schafften es, ihre goldenen Röcke flogen und wirbelten im mörderischen Tempo der Congas. Arkadi stellte sich auf den grellen Blitz einer Explosion ein.
    Statt dessen tauchten Männer in Zivil auf. Sie kamen jeweils zu zweit, führten den Mann mit der Pilotenbrille, Dr. Blas und nach und nach all die anderen Männer ab, die Arkadi aus dem paladar wiedererkannt hatte. Jetzt wurde ihre militärische Ausbildung deutlich. Im Moment seiner Verhaftung versuchte keiner zu fliehen oder zu schreien. Arkadi suchte nach Erasmo. Doch er wurde nicht in seinem Rollstuhl weggeschoben, sondern schien vielmehr für diese neue Phase verantwortlich. Offenbar hatte kaum jemand im Publikum bemerkt, was vor sich ging, alle
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