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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna
Autoren: Martin Cruz Smith
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Gestalten umkurven, die am Ufer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Arkadi trat zur Seite, um den Rollstuhlfahrer vorbeizulassen, und erkannte ihn. »Frühling in der Arktis.« Erasmo hatte sich in einen Parka gehüllt und trug eine Skimütze und feuchte Lederhandschuhe. Er strich sich über den Bart und betrachtete angewidert seinen dampfenden Atem in der kalten Luft. »Wie halten Sie das aus?«
    »Man muß immer in Bewegung bleiben.«
    In seinem Parka wirkte Erasmo riesenhaft und so gesund, wie nur ein Kubaner in Moskau aussehen konnte. Als er ihm seine Hand anbot, wartete Arkadi, bis er sie wieder sinken ließ.
    »Was machen Sie hier?« fragte Arkadi.
    »Neuverhandlung des Zuckervertrags.«
    »Natürlich.«
    »Seien Sie doch nicht so«, sagte Erasmo. »Ich bin nur für einen Tag in Moskau. Ich habe Ihr Büro angerufen, und man hat mir gesagt, daß Sie wahrscheinlich diesen Weg nehmen würden. Bitte.«
    »Dann kommen Sie, ich werde Ihnen die russische Perspektive zeigen.« Arkadi ging langsamer, und Erasmo rollte neben ihm her. »Ein 98er Jaguar, ein Bankier, der mit einem Golfstream-Jet Dollars aus Moskau ausfliegt. Ein 91er Mercedes, ein stellvertretender Minister und kleinerer Mafioso. Der Obdachlose unter der Laterne könnte harmlos sein oder auch ein Geheimdienstoffizier, man weiß nie.«
    »Natürlich war ich das«, sagte Erasmo. »Wo sollten wir einen russischen Spion sonst wohnen lassen, wenn nicht über einem unserer eigenen Spione? Das ist elementar. Auf dem Friedhof habe ich versucht, Sie zu warnen. In dem Restaurant habe ich Ihnen geraten, die Finger von der Sache zu lassen. Und nachdem Sie Mongo gefunden hatten, hätten Sie immer noch aufhören können.«
    »Nein.«
    »Mit Ihnen kann man einfach nicht reden, Sie kennen keinen Kompromiß. Wie geht es Ihrem Arm?«
    »Nichts gebrochen, danke der Nachfrage. Es ist meine kubanische Tätowierung.«
    »Ich hätte Sie fast nicht erkannt, in einem Parka wie ich. Was ist mit Ihrem wunderbaren Mantel passiert?«
    »Es ist ein wunderbarer Mantel, aber ich habe beschlossen, daß ich ihn nicht verschleißen will. Zu besonderen Gelegenheiten trage ich ihn aber immer noch.«
    »Nun, Sie leben, das ist die Hauptsache.«
    »Wofür Sie am allerwenigsten können. Warum haben Sie das getan, Erasmo? Warum haben Sie Ihre Freunde in eine Falle gelockt? Was ist mit meinem furchtlosen Helden aus Angola passiert?«
    »Ich hatte keine Wahl. Schließlich hatten die Offiziere die Planung des Attentats bereits begonnen. Wenn die Bedrohung von Männern ausgeht, mit denen zusammen ich gedient habe und die ich liebe, versuche ich, den Schaden zu begrenzen. Ich versuche, ihre Aktivitäten zu kanalisieren, damit sie sowenig Unheil wie möglich anrichten. Zumindest wurde niemand getötet.«
    »Niemand?«
    »Nur sehr wenige. O’Brien und Mostowoi haben einige Dinge getan, von denen ich nichts wußte.«
    »Aber Sie haben mich ihnen trotzdem als Köder vor die Füße geworfen.«
    »Nun, wie sich herausgestellt hat, waren Sie mehr als ein Köder. Der arme Bugai.«
    »Er lebt noch.«
    »Himmelherrgott, haben Sie eine Zigarette?« Der Schnee war dichter geworden. Arkadi schirmte mit dem Rücken zwei Zigaretten gegen den Wind ab, zündete sie an und gab eine Erasmo, der tief inhalierte und dann ob der Beleidigung seiner Lungen in heftigen Husten ausbrach. Er ließ seinen Blick über die Straße schweifen und betrachtete die Gestalten, die den Schnee mit Besen aufwirbelten. »Russische Frauen. Wissen Sie noch, wie wir mit dem Jeep über den Malecon gefahren sind?«
    »Natürlich.«
    »Was glauben Sie, wie lange das noch dauern wird? Nicht mehr sehr lange. Wissen Sie, eines Tages werden wir an die spezielle Periode zurückdenken und sagen, nun ja, es war ein lächerliches Chaos, aber es war kubanisch. Es war der Sonnenuntergang, das letzte kubanische Zeitalter. Vermissen Sie es?« Sie waren unter einer Laterne stehengeblieben. Schneeflocken glitzerten auf Erasmos Bart und Augenbrauen. »Wie geht es Ofelia?« fragte Arkadi. »Ich habe versucht, sie über die PNR zu erreichen und keine Antwort erhalten. Ich habe ihre Privatadresse nicht. An jenem Abend hat man nur meinen Arm verbunden, mich in ein paar Kleider gesteckt und zusammen mit Pribluda in ein Flugzeug gesetzt. Ich habe sie nicht mehr gesehen.«
    »Und das werden Sie auch in Zukunft nicht. Sie dürfen nicht vergessen, Arkadi, daß Sie eine Menge Konfusion hinterlassen haben. Man wird Criminalista Osorio noch eine ganze Weile beschäftigt
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