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Nacht der Zaubertiere

Nacht der Zaubertiere

Titel: Nacht der Zaubertiere
Autoren: Dean R. Koontz
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Nebelbärten. Er trottete weiter. Die Luft wurde kälter. Zack überlegte, ob der Regen wohl in Hagel oder Schnee übergehen würde. Er stopfte die Hände tief in die Taschen seines Regenmantels, zog die Schultern hoch und marschierte weiter nach Norden.

 
     
     
Eine finstere und stürmische Nacht
     
     
    Viktor Liebmann, der Neffe von Isaak Liebmann, dem kürzlich verstorbenen Spielzeugmacher, fuhr in der Finsternis durch eine kleine Vorstadtstraße und murmelte vor sich hin. Selbstgespräche führte er oft, denn er hatte keine Frau und lebte allein, und weil er keine engen Freunde besaß, blieb ihm nur übrig, mit sich selbst zu reden.
    Viktor war ein Griesgram. Obgleich er noch ziemlich jung war, erst fünfunddreißig Jahre, wirkte er wie ein Siebzigjähriger, weil ihn sein sauertöpfisches Wesen frühzeitig alt erscheinen ließ. Sein Gesicht war blaß und mager, verkniffen und muffig. Er sah immer so aus, als ob er gerade in eine Zitrone gebissen hätte. Er war hochgewachsen und viel zu dünn. Wenn er im Auto saß, mußte er sich im Sitz zusammenkrümmen. Wenn er zu Fuß ging, machte er einen Buckel, als ob er einen ganzen Berg auf seinen knochigen Schultern zu schleppen hätte.
    Ein sehr anziehender Mensch war er also nicht.
    Im Augenblick war er niedergeschlagen und aufgebracht zugleich. Er war niedergeschlagen, weil sein Onkel gestorben war. Sie hatten sich nie sehr nahegestanden, woran aber Viktor schuld gewesen war. Dem freundlichen Isaak hätte eine engere Bindung nur gefallen. Aber Viktor hatte weder die Zeit noch den Wunsch empfunden, einem anderen Menschen näherzukommen. Jetzt aber empfand er den Tod des alten Mannes als Verlust. Und es überraschte Viktor, wie schmerzlich er jetzt schon seinen Onkel Isaak vermißte.
    Gleichzeitig war er ärgerlich und aufgebracht, weil ihm Isaaks Leben als Spielzeugmacher immer als vollkommene Zeitverschwendung vorgekommen war. Spielzeug war nur etwas für Kinder, nicht für Erwachsene. Viktor vertrat zwar diese Meinung, hatte sich aber selbst als Kind niemals richtig für Spielsachen interessiert. So hielt er seinen Onkel für kindisch, weil er sich sein Leben lang nur mit Spielsachen beschäftigt hatte. So eine Vergeudung! So ein Unfug!
    Viktor bremste vor einem Stoppzeichen und bog dann nach rechts ab. Er wollte zur Werkstatt seines Onkels, die ganz in der Nähe lag.
    Blitze zischten durch den dunklen Himmel. Welkes Laub flog über die Fahrbahn, und ein paar Blätter scharrten über die Windschutzscheibe, ehe sie in die Finsternis gerissen wurden.
    Viktor wäre in so einer Nacht lieber gemütlich zu Hause geblieben. Außerdem hatte er arbeiten wollen, Fachzeitschriften lesen, Bankauszüge studieren, Anlagemöglichkeiten abschätzen und vergleichen. Er arbeitete meistens vierzehn Stunden am Tag, und das an sieben Tagen in der Woche, und wenn er nichts zu tun hatte, wurde er kribbelig.
    Vielleicht hätte es Viktor besänftigt, wenn Isaak eine richtige Spielzeugfabrik besessen hätte, eine gewaltige Anlage mit tausend ratternden und klappernden Maschinen, die alle zwei Sekunden Puppen und Spielzeugautos und hundert andere Produkte ausspuckten. In so einer Spielzeugfabrik steckte Geld, und Geld gefiel Viktor in jeder Hinsicht. Isaak hatte mit seinen Spielsachen jedoch nur sehr wenig verdient, gerade genug zum Leben. Er hatte. Spielsachen hergestellt, weil er sie liebte. Was für eine Vergeudung! Was für ein Jammer!
    Jetzt war die ganze Firma an Viktor gefallen, denn er und Isaak waren die letzten Nachkommen der Familie, und Viktor hatte vor, den Laden in Schwung zu bringen. Zuerst wollte er Inventur machen und dann alles verkaufen. Das verfallene alte Haus mit den vielen Türmchen und Giebeln, in dem Isaak gewohnt und gearbeitet hatte, wollte er abreißen lassen. Es mußte ja ein ziemlich zugiger Kasten sein, in dem man alle Leitungen und Rohre neu verlegen lassen müßte, und allein die hohen Räume zu heizen kostete sicher ein Vermögen. Mit der Zeit wollte er auch die vier Hektar aufteilen, die das Haus umgaben, denn das Gelände reichte gut für ein Dutzend Reihenhäuser und würde anständig Geld bringen. Er hatte schon oft versucht, Isaak für so ein Bauvorhaben zu überreden, aber der alte Mann hatte eine sentimentale Bindung an seine Spielzeugwerkstatt gehabt und nicht gewußt, was gut für ihn war.
    Viktor war dagegen fest entschlossen, dem Meistbietenden zu verkaufen.
    Eine Steinbrücke, an beiden Enden von Lampen flankiert, führte über den Fluß, der
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