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Nacht der Zaubertiere

Nacht der Zaubertiere

Titel: Nacht der Zaubertiere
Autoren: Dean R. Koontz
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seiner Tasche steckten hundert Dollar. Was er auf dem Leib und in dieser Tasche trug, war alles, was er auf dieser Welt besaß.
    Zack hatte ein langes, mageres und geierscharfes Gesicht, das ihn gefährlich wirken ließ. Er schaffte es, daß sich die Leute schon unbehaglich fühlten, wenn er nur den Raum betrat. Seine grauen Augen waren fast durchsichtig, kalt wie Eis, und jetzt, in der Nacht, schienen sie wie die Augen eines wilden Tieres zu funkeln.
    Die Haare klebten Zack am Kopf. Seine Schuhe quatschten vor Nässe, die Haut seiner Zehen war in den nassen Socken schon ganz ribbelig geworden, und seine Hosenbeine waren klatschnaß vom Wasser, das die vorüberfahrenden Autos auf ihn spritzten. Er war naß bis auf die Knochen. Er fror und fühlte sich jämmerlich, aber er benutzte dieses Elend, um seinen Haß zu nähren. Zack haßte jeden und alles. Er haßte das Gefängnis und jeden, der im Gefängnis saß. Er haßte die Welt außerhalb des Gefängnisses und alle, die in Freiheit lebten. Er haßte die Autofahrer, die vorbeibrausten, ohne ihn mitfahren zu lassen, und er schickte ihnen wilde Flüche nach, auch wenn sie ihn nicht hören konnten.
    Zack haßte auch die Autofahrer, die anhielten und ihn mitnahmen. Er verfluchte sie nicht, brütete aber schweigend vor sich hin. Er gab nur ein paar knurrende Auskünfte, und wenn sie versuchten, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, starrte er sie wütend an. Er jagte allen eine solche Angst ein, daß ihn keiner mehr als ein paar Meilen mitnahm, und deshalb mußte er fast den ganzen Nachmittag und Abend durch den strömenden Regen laufen, statt gemütlich im Auto zu sitzen.
    Sein Haß war sein einziger Lebenszweck. Er fand weder an Büchern Gefallen noch an Filmen oder gutem Essen und Musik, die Schönheit der Welt ließ ihn kalt, und er lachte nie. Ohne seinen Haß würde er zu Staub zerfallen und vom Winde verweht werden.
    Nachdem er lange genug im Gefängnis gesessen hatte, um in den Genuß bestimmter Privilegien zu gelangen, hatte er viel von seiner Zeit in einer Holzwerkstatt verbracht. Die Gefangenen stellten einfache Spielsachen her, die von verschiedenen mildtätigen Vereinen als Weihnachtsgeschenke für bedürftige Kinder verwendet wurden.
    Zack haßte Kinder genauso wie Erwachsene. Er machte Spielsachen mit verborgenen Fehlern, Holzautos und Holzpuppen, die den Kindern in den Händen zerbrachen, nachdem sie nur eine oder zwei Stunden damit gespielt hatten. Sein größtes — und einziges — Vergnügen beruhte darin, daß er sich die Tränen der Kinder vorstellte, die mit ihren schönen neuen Puppen und Lastautos spielten, aus denen so rasch wertloser Müll wurde.
    In der vergangenen letzten Nacht im Gefängnis hatte Zack einen merkwürdig lebendigen Traum von einer Spielzeugfabrik gehabt. Auf dem Firmenschild standen die Worte Fabrikation von Gliederfiguren und Spielmaschinen, und er hatte sich selbst emsig an einer Werkbank arbeiten gesehen, wie er gerade eine Clownpuppe mit boshaft funkelnden Augen zusammensetzte. Dieser Traum war ihm im Laufe des Tages immer wieder durch den Kopf gegangen, auch jetzt, wo er durch den Regen stapfte. Er hatte ihn verwirrt. Kein anderer Traum war ihm jemals so wirklich vorgekommen. Es verwirrte ihn aber auch sein unwiderstehlicher Drang, trotz des heftigen Regens nach Norden zu ziehen. Selbst mit nur hundert Dollar in der Tasche hätte er sich ein Zimmer in einer Pension oder einem preiswerten Hotel leisten können. Dort hätte er den Regen abwarten können, was seine Wanderung wesentlich angenehmer gemacht hätte. Aber er konnte nicht stehenbleiben. Er war gezwungen, durch das Unwetter zu stapfen. Er fühlte sich wie ein Stück Eisen, das von einem riesenhaften Magneten nach Norden gezogen wird.
    Meine Zukunft liegt im Norden, dachte er. Er wußte aber nicht, wie diese Zukunft aussehen mochte.
    Die nasse Fahrbahn glänzte schwarz. Von Zeit zu Zeit fuhren Autos vorbei. Die Fahrer waren durch das Aufblenden der Scheinwerfer und die verregneten Windschutzscheiben unsichtbar. Jedesmal, wenn Zack einen Motor hinter sich dröhnen hörte, drehte er sich um, hob den Arm und machte mit Faust und Daumen die klassische Geste der Anhalter. Die meisten Autos sausten vorbei. Ein paar Fahrer wurden langsamer, doch wenn sie Zack erkennen konnten, beschleunigten sie wieder und verschwanden in der stürmischen Nacht.
    Ein feiner Nebel stieg wie ein Schleier von den Feldern auf, zwischen denen die Autostraße lag. Später stieß Zack auf Bäume mit
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