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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire
Autoren: Raymond Giles
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darunter blondes Haar hervorquoll. Dann aber lief sie mit letzter Kraft davon, so rasch die Beine sie trugen.
    Sie war überzeugt, daß sie entdeckt worden war und daß jeder Magier, jede Hexe und jede Riesenfledermaus ihr dicht auf den Fersen waren. Nur mit Mühe unterdrückte sie das angstvolle Wimmern, das sich ihr auf die Lippen drängte. Sie hatte keine Ahnung, wie weit sie gelaufen war, als sie über eine Wurzel stolperte und der Länge nach hinschlug. Sie schluchzte verzweifelt auf und blieb liegen. Mit fest zusammengepreßten Augen machte sie sich auf einen Angriff der Vampire gefaßt.
    Sie wartete. Abgesehen von den üblichen Geräuschen einer heißen Sommernacht vernahm sie nichts. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen.
    Endlich öffnete sie die Augen und setzte sich auf. Angstvoll drehte sie sich um. Sie sah weder einen Feuerschein noch die Lichtung, noch irgendwelche Hinweise auf Verfolger. Die Nacht war undurchdringlich schwarz.
    Einen Augenblick versuchte sie zu glauben, daß sie träumte. Bestimmt lag sie geborgen im Sommerhaus, und Duffy schlief neben ihr. Es gab keine Fledermäuse, keine Geheimbünde, keine blonde Hexe im purpurroten Mantel. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie erwachte . . .
    Aber das Leugnen war zwecklos. Der Gestank der Riesenfledermäuse klebte an ihr. In diesen Gestank mischte sich jetzt ein Hauch jenes Parfüms, das ihr so verhaßt war und das einzig Lily Bains verwendete. Das war doch wohl nur eine Täuschung? Aber Lily Bains war Wirklichkeit. Ebenso der Geheimbund. Die grausamen Vampirfledermäuse waren Wirklichkeit, und sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie Jeanne Douglas angegriffen hatten. Selbst jetzt noch tranken sie ihr Blut. Sie wünschte Jeanne, daß sie bereits tot wäre.
    Aber dann würden sie über Ward Douglas herfallen. Und über Duffy.
    Wie konnte sie Duffy retten? Was konnte sie tun?
    In ihrer völligen Hilflosigkeit begann sie zu weinen. Die undurchdringliche, pechschwarze Nacht hüllte sie ein. Sie wußte kaum, wo sie war. Irgendwo im Wald bei Sanscoeur. Vielleicht entdeckte sie einen Weg, der sie zu Menschen führte, die ihr halfen. Aber wer sollte ihr glauben? Wer würde dem berüchtigten Wolfmädchen der Sanscoeurs die irrsinnige Geschichte von einem Geheimbund der Vampire glauben?
    Und selbst angenommen, sie fand tatsächlich jemanden, der ihr Gehör schenkte: Wie viele Menschen würden es wagen, einem Geheimbund von einem Dutzend Mitgliedern oder mehr entgegenzutreten? Und sogar wenn sie ausreichende Hilfe fand, dauerte das sicher so lange, bis es zu spät war. Und vermutlich würde man sie bloß für wahnsinnig halten und in ein vergittertes Zimmer sperren . .. Bis die Toten gefunden und sie dafür verantwortlich gemacht werden würde.
    Ihre Lage war hoffnungslos.
    Sie wußte jetzt, daß sie weder Bonnie Wallace noch Zachary Hale getötet hatte. In jenen beiden Nächten hatte sie sich jedenfalls nicht in einen Werwolf verwandelt, was sie auch früher geträumt haben mochte. Vielleicht war sie überhaupt niemals ein Werwolf gewesen. Schließlich hatte diese Fantasie als Spiel und als geistige Flucht begonnen.
    Wenn sie aber fähig wäre . . .
    Wenn sie sich nur ein  einziges  Mal in jenes mächtige graue Tier verwandeln könnte, das sie so oft zu sein behauptet hatte. Jedes Gramm ihres Körpers müßte zum Wolf werden, hundertdreißig Pfund fletschender Tod auf vier Pfoten . . .
    Was hatte sie nur empfunden> als sie die Katze getötet hatte? Sie versuchte, dieses Gefühl heraufzubeschwören, sie wollte die Mordlust wieder in sich spüren . . .
    Sie weinte in ohnmächtiger Wut. Sie war kein Werwolf. Sie war bloß ein Mädchen, ein krankes Mädchen mit einer krankhaften Einbildungskraft. Und genau in diesem Augenblick mochte Duffy vielleicht sterben. Sie vergaß jede Angst. Ihre eigene Sicherheit war ihr einerlei: sie mußte Duffy retten!
    Sie stand auf und schleuderte die Sandalen von den Füßen. Sie riß sich das Kleid und die Wäsche vom Leib, ohne erst umständlich die Knöpfe zu öffnen. Innerhalb weniger Sekunden war sie splitternackt. Sie tastete durch die Finsternis nach einem Stock und versuchte, jene Diagramme auf den Boden zu zeichnen, die sie als Kind gelernt hatte. Es war so stockdunkel, daß sie nicht sah, was sie tat.
    Natürlich hatte sie keine Zaubersalbe bei sich und keinen Gürtel aus Wolfspelz. Aber sie wußte noch einige Zaubersprüche und Beschwörungen auswendig und flüsterte sie vor sich hin.
    Dann sagte sie sie laut
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