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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire
Autoren: Raymond Giles
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Scheußlichkeit, da versuchte er auch schon, es zu leugnen. Es war der instinktive Selbsterhaltungstrieb, der ihn dazu trieb. Aber er nützte ihm nichts. Im gleichen Augenblick nämlich lösten sich zwei weitere Geschöpfe aus dem Schatten, zwei riesige Fledermäuse, die aufrecht wie Menschen gingen und sich auf ihre gefalteten Schwingen stützten wie auf Krücken.
    Ein leises, irres Stöhnen entrang sich Duffys Lippen.
    Jeanne Douglas schluchzte laut auf. Sobald ihr Weinen leiser wurde, flüsterte Ward: »Ich habe dir gesagt, du sollst nicht hinschauen.«
    Eine Zeitlang hielt Duffy die Augen geschlossen. Ab und zu hörte er das erstickte Gelächter, das er den Fledermäusen zuschrieb. Er redete sich ein, in einem entsetzlichen Alptraum befangen zu sein, aus dem er bald erwachen würde. Aber er wußte es besser. Was er erlebte, war unbarmherzige Wirklichkeit, vielleicht die letzte seines Lebens.
    Er vernahm das Murmeln menschlicher Stimmen. Vorsichtig öffnete er die Augen und drehte den Kopf zum Feuer, um den Anblick der Fledermäuse möglichst zu vermeiden. Er hob den Kopf eine Spur höher. Rundum brannten mehrere Feuer, um die Schatten huschten, die den Fledermäusen sehr ähnlich sahen, nur waren sie bedeutend größer. Zwei dieser Gestalten kamen auf ihn zu. Er versuchte, sich gegen das kalte Grauen zu wappnen.
    Bald entdeckte er jedoch, daß die beiden Näherkommenden Menschen waren. Sie trugen schwarze bodenlange Kapuzenmäntel, die ihre Gesichter verbargen. Vorne aber waren die Mäntel weit auseinandergeschlagen. Der runde, nackte Bauch des kleineren Mannes glänzte schamlos im Feuerschein.
    Ein Geheimbund,  dachte Duffy,  o Gott, ein Geheimbund.
    »Jetzt weißt du es, Duff?« sagte der größere der beiden Männer. Duffy kam die Stimme bekannt vor. »Allmählich begreifst du. Oder nicht?«
    Der dickbäuchige Mann kicherte. Duff glaubte, seine Stimme zu erkennen. »Hat lang gedauert, bis wir dich hier hatten«, fuhr der Mann fort. »Hat uns viel Zeit und Anstrengungen gekostet. Deshalb muß sich unsere Mühe jetzt aber auch lohnen.«
    »Das wird sie, das wird sie«, sagte Talbot Grennis. Er kniete sich nieder, damit Duffy sein Gesicht sehen konnte. »Dafür werden wir sorgen.«
    »Bestimmt«, bekräftigte der andere. Jetzt erkannte Duff ihn. Es war Ben Jacobs, der Grundstücksmakler. »Dafür sorgen wir immer. Erinnere dich doch nur, welchen Spaß wir mit Mr. Zachary Hale hatten —«
    »Oh, mit Miß Bonnie Wallace war es noch viel toller. Die war noch unvergleichlich ergiebiger.« Grennis lachte leise. »Und ich will dir etwas verraten, Duff, mit dir und deinen beiden Freunden wollen wir es sogar noch bunter treiben. Die heutige Nacht wird ganz großartig für uns werden. Und ist die Nacht erst vorbei, haben wir uns etwas ganz Besonderes für deine Frau aufgespart. Du mußt nämlich wissen, Duff, daß wir etwas ganz Spezielles für sie vorgesehen haben —«
    Grennis brach ab und erhob sich wieder, als Jacobs ihn berührte. Duffy sah, daß sich in letzter Minute mehrere Gestalten in Kapuzenmänteln eingefunden hatten, Männer und Frauen. Alle sahen zu den lodernden Feuern hin.
    Duffy folgte ihren Blicken, die sich auf eine weitere vermummte Gestalt richteten, die langsam näherkam. Anfangs bemerkte er keinen Unterschied zwischen ihr und den anderen, bis er schließlich sah, daß ihr Mantel nicht schwarz, sondern purpurrot war. Das mußte der Meister des Geheimbundes sein.
    Der Meister schritt gemessenen Schrittes durch die Gruppe auf Duffy zu, blieb vor ihm stehen und machte eine Vierteldrehung. Der zuckende Feuerschein fiel auf den geöffneten Mantel, und Duffy sah, daß der Meister eine Frau war — eine Hexe. Sekundenlang sah sie auf ihn herab. Dann schüttelte sie den Mantel ab und ließ ihr langes, goldenes Haar herabwallen, das bis zu ihren Hüften reichte.
    »Lily«, murmelte Duffy erstickt.
    »Natürlich, Schatz«, antwortete sie mit ihrem süßesten, unschuldigsten Lächeln. »Seit dreizehn Jahren. Immer deine Lily.«
    »Ach, Schatz«, sagte Lily und lachte gurrend, »was hast du mir nur angetan!«
    Nichts kann verdorbener aussehen als ein Gesicht mit Engelszügen, die vom Laster gezeichnet sind. Lily Bains setzte sich neben Duffy auf die Erde und drückte ihm ein Knie auf die Brust. Sein Arm schmerzte unter ihrem Gewicht. Sie hatte aus den Falten ihres Purpurmantels einen silbernen Opferdolch gezogen, mit dem sie lässig spielte. Die Spitze der Mordwaffe bedrohte ihn dauernd. Er wußte, daß sie
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