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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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aber Papa hat gesagt, dass du dann ausrastest!»
    «Hat er das gesagt?»
    «Ja, Mama. Würdest du ausrasten?»
    «Nein, Sofi. Ich hab dich lieb!»
    «Ich dich auch, Mama. Kann ich einen Hund haben, wenn du nicht ausrastest?»
    «Wenn du jeden Morgen um sechs aufstehst und mit ihm Gassi gehst!»
    «Oh … da reden wir noch drüber, Mama.»
    «Einverstanden.»
    «Kommst du bald wieder?»
    «Ja, bald.»
    «Hast du den Mörder?»
    «Ja, ich glaube.»
    «Ist er schlimm?»
    «So mittel. Ist Luca auch da?»
    «Nein, der ist beim Basketball.»
    «Aber allein bist du nicht, oder?»
    «Nein, Papa kocht gerade Nudeln und schaut dabei Fußball.»
    «Dann geht’s dir gut, oder?»
    «Ja, Mama.»
    «Sag schöne Grüße. Ich ruf Morgen wieder an, Sofi. Und schlaf gut!»
    «Du auch, Mama. Soll ich meinen Hamster von dir grüßen?»
    «Klar, grüß ihn von mir!»
    Laura beendete das Gespräch.
    « Fine! », sagte sie laut. « Tutto a posto , Angelo. Jetzt haben wir vermutlich noch zwei Minuten Zeit, um uns zu unterhalten.»
    Angelo lachte leise.
    «Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht auch vier Kinder habe. Vielleicht solltest du noch deinen Vater anrufen, wenn du schon dabei bist!»
    «Der hat heute Nachmittag selbst angerufen!»
    «Deine Tochter hat eine süße Stimme. Wie alt ist sie?»
    «Zwölf. Aber du könntest doch deinen Vater anrufen!»
    «Nein! Unmöglich!», rief Angelo entsetzt. «Um diese Zeit kocht er. Wer ihn um diese Zeit anruft, muss mit üblen Beschimpfungen rechnen!»
    Sie brachen beide in Gelächter aus, verstummten jedoch schnell, als ihnen bewusst wurde, dass sie bereits die engen Straßen von Siena erreicht hatten. Als Angelo den Wagen vor der Questura parkte, sagte Laura:
    «Ich wünschte, wir hätten all die Zeit, die wir brauchen, um dummes Zeug zu reden. Ich liebe es, dummes Zeug mit dir zu reden und zu lachen. Das … klingt jetzt auch wieder dumm, oder?»
    Angelo schüttelte den Kopf.
    «Es klingt überhaupt nicht dumm. Vielleicht finden wir ja ein bisschen Zeit … irgendwo zwischen unseren Vätern, Kindern, Chefs, Mördern, Expartnern …»

S ie fanden ein bisschen Zeit, atemlos und erschöpft, um zwei Uhr nachts, aßen vertrockneten Käse in Guerrinis altertümlicher Küche und tranken Rotwein. Vor den Fenstern die Türme von Siena, schwarz und unwirklich, die Beleuchtung war längst ausgeschaltet. Sie sprachen langsam, mit schweren Zungen – vom Wein und von der   Müdigkeit –, konnten sich lange nicht von den Ereignissen der letzten Tage lösen. Susanne Fischer hatte in der Questura ihre kühle Arroganz wiedergefunden und jede Aussage verweigert. Die Analyse des Brillenbügels sprach allerdings eindeutig gegen sie. Guerrini und Laura verbrachten Stunden damit, ein Protokoll zu schreiben.
    Jetzt saßen sie einander gegenüber, zu erschöpft, um schlafen zu gehen. Auch die Worte gingen ihnen aus, deshalb schauten sie sich nur noch an, und Laura dachte, dass sie für immer so sitzen bleiben könnte, um ihn anzusehen. Es machte nichts, dass die Wanduhr laut tickte. Die Sekunden und Minuten zogen an Laura vorüber, verschwanden draußen in der Nacht. Als die Uhr drei laute Schläge von sich gab, erschraken sie und mussten gleichzeitig lachen.
    «Ich dachte, die Zeit wäre stehen geblieben», sagte Angelo und stand auf.
    «Sie war stehen geblieben», erwiderte Laura. «Jetzt läuft sie wieder.»
    Sie ging zum Fenster und lehnte ihre Stirn gegen die kühle Scheibe, spürte Watte im Kopf und in den Knien. Wie viel Zeit blieb ihnen? Nicht daran denken. Jetzt war sie hier. Die Stadt verschwamm vor ihren Augen.
    «So kann man nicht wohnen, Angelo», sagte sie und lauschte ihren Worten nach. Lallte sie?
    «Warum?» Er trat neben sie. Ein Hauch seiner Körperwärme erreichte sie.
    «Was, warum?», fragte sie verwirrt.
    «Warum kann man so nicht wohnen?»
    «Ach so … Weil es unfair ist, Commissario. Weil anständige Menschen nicht in einer so wunderschönen Theaterkulisse wohnen!» Laura sprach undeutlich.
    «Ach», lächelte er, «die Schönheit ist nur äußerlich. Denk nur an die vielen Mörder, die es in dieser Stadt gegeben hat. Shakespeare hätte hier unbegrenzt Stoff für seine Dramen finden können. Die Mörder haben ganz nebenbei diese Theaterkulisse für ihre Auftritte gebaut.»
    «Hör auf mit Mördern!», murmelte Laura. «Meinst du, dass man weiße Mäuse auch sehen kann, wenn man nur eine halbe Flasche Rotwein getrunken hat?»
    «Siehst du welche?»
    «Nein, aber ich könnte
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