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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel
Autoren: Ma2
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»Nein, das will ich natürlich nicht. Es tut mir leid, als ich sie und das Materiophon gesehen habe, ist eine Sicherung bei mir durchgebrannt. Natürlich hast du recht. Natürlich.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Komm. Wir stehen das gemeinsam durch.«
    Marian streckte sich noch einmal in Ylvas Richtung. Dann schwammen wir los. So schnell wir konnten, steuerten wir das entgegengesetzte Ufer an.
    »Warum seid ihr überhaupt alle hier?«, rief jemand hinter uns. War das etwa Ylva? Noch einmal wirbelten wir herum und erkannten eine weitere Gestalt, die nun neben dem Ungeheuer stand.
    Amadé.
    Sie musste durch die Falltür hinuntergekommen und über das schmale Sims, das um den See herumführte, balanciert sein.
    »Der Himmel draußen sieht nicht gut aus«, rief Fluvius Grindeaut, der gerade die Wendeltreppe herunterkam und eine große Kiste schleppte. Meine Mutter stieg sehr langsam ebenfalls in die Grotte hinab. Ihr war anzusehen, dass sie fürchtete, jeder Schritt würde sie dem Tod ein Stück näher bringen. Zitternd erreichte sie schließlich den Fuß der Treppe. Ihr Blick wanderte durch die Grotte und über den schwarzen See, bis sie mich fand. Ich öffnete die Faust, in der ich den Weißen Löwen hielt, sodass sie ihn sehen konnte.
    Wir nickten einander zu.
    Dann legte sie beide Hände an ihre Maske, nahm sie von ihrem Gesicht und ließ sie achtlos zu Boden fallen. »Also gut«, sagte sie. »Ich bin bereit.«
    »Meta«, stammelte mein Vater. Es knirschte unschön, als er in Ohnmacht fiel und sich die Schulter an einem Stein stieß.
    Für Marian und mich war es an der Zeit, endlich aus dem Wasser zu kommen.

24
EIN STERN UND EIN MÄDCHEN
    Die Grotte erzitterte. Während Marian und ich an Land paddelten und uns gegenseitig auf das Felsplateau zogen, öffnete der Großmeister die Kiste. Zuerst beförderte er mehrere Ampullen zutage, die mit schwarz schimmernder Dunkler Materie gefüllt waren, und drückte sie meiner Mutter in die Hand. Behutsam und doch entschlossen griff sie danach. Als Nächstes zog er einen großen, flachen Gegenstand hervor und entklappte ihn zu einer Liege. Dann verbanden der Kanzler und er die Ampullen mit einem komplizierten Geflecht aus Röhrchen und Schläuchen. Zuletzt installierten die beiden einen kleinen Bunsenbrenner und schraubten eine Art silbrigen Trichter auf das äußerste der kleinen Materienfläschchen.
    Marian und ich schälten uns aus unseren Schutzanzügen und halfen ihnen, die Apparatur festzuhalten, die durch das Erdbeben beängstigend hin und her wankte. Risse fraßen sich wie ein feines Spinnennetz durch die Höhlenwände bis zur Decke hinauf. Immer größere Gesteinsbrocken stürzten in den lackschwarzen See. Ein ohrenbetäubendes Mahlen und Grollen erfüllte die Grotte.
    Es dauerte eine Weile, bis der Kanzler alle Stellschrauben justiert und jedes Tröpfchen Materie in Position gebracht hatte. Dann bedeutete er meiner Mutter, Platz zu nehmen. Was er sagte, verstand ich nicht bei dem Lärm.
    Meine Mutter streifte im Vorbeigehen meine Hand. »Ich werde euch immer lieben. Dich und deinen Vater. Ihr seid das Wunderbarste, was mir in meinem langen Leben je passiert ist«, schrie sie neben meinem Ohr. »Vergiss das bitte nicht.«
    »Das werde ich niemals«, antwortete ich. Tränen stiegen in mir auf. Ich wollte sie festhalten, wenigstens noch einmal an mich drücken. Aber sie entwand sich meinem Griff, öffnete die Knöpfe ihres Kragens und legte sich auf die Liege. Der Anblick ihrer Züge erinnerte mich daran, wie sie mir vorgelesen und mich getröstet hatte, als ich noch klein gewesen war. Jetzt jedoch sah sie hilflos aus, und so klein. Ihre schmächtige Gestalt hob sich knochig von dem weißen Polster ab, das ihr Gesicht noch blasser wirken ließ, beinahe so, als trüge sie wieder eine Maske.
    Ich beugte mich zu ihr hinab und küsste ihre Wange, als plötzlich ein so gewaltiger Stoß durch das Felsplateau ging, dass ich das Gleichgewicht verlor. Beinahe wäre ich in die Versuchsapparatur gestürzt. Der Eiserne Kanzler konnte mich gerade noch auffangen.
    »Haben Sie meinen Finger?«, rief er.
    Ich deutete auf meinen Vater, der gerade wieder zu sich gekommen und von Madame Mafalda auf die Füße gestellt worden war. »Papa?«, schrie ich, aber er hörte mich nicht. Sein Gesicht wirkte wie Pergament kurz vor dem Reißen. So rasch es seine weichen Knie zuließen, wankte er zu uns herüber und sank auf dem Rand der Liege erneut in sich zusammen. Den Kopf legte er an die
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