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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel
Autoren: Ma2
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klein wie möglich, kauerte sich im Fußraum zusammen wie ein verschrecktes Kind. Ein weiterer Schlag ließ den Oldtimer erzittern. Die Dame hörte sich selbst kreischen. Es klang unheimlich und schien die Angreifer für einen Augenblick zu irritieren, denn plötzlich verschwanden die Flügel an der Scheibe.
    Langsam hob die Dame den Kopf, bis sie über die untere Kante des Fensters spähen konnte. War es vorbei? Würde sie noch einmal davonkommen? Der Hoffnungsschimmer verblasste so rasch, wie er aufgeglommen war. In der Dunkelheit erkannte die Dame die glühenden Augen mehrerer Schattenpferde, die schnaubend die Köpfe senkten.
    Sie nahmen bloß Anlauf.

1
ASCHE
    »Warum nicht?«, fragte Linus und lächelte mich unschuldig an. Sein Lippenpiercing glänzte im Licht der Laterne, unter der wir saßen.
    Mit dem Kinn deutete ich auf das mit Hello Kitty dekorierte Fenster in der ersten Etage des Reihenhauses auf der anderen Straßenseite. »Äh, weil Wiebke die Windpocken hat.«
    »Sie ist nicht mehr ansteckend.«
    »Aber sie schläft.« Ich verdrehte die Augen. »Es ist drei Uhr morgens, Linus, und ich komme nicht mit rein.«
    »Verstehe.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog eine Schnute und sah unter seinen langen dunklen Wimpern hervor. Zur Jeans trug er lediglich ein Muskelshirt. Kein Wunder, dass er es kaum noch hier draußen aushielt, es war immerhin Mitte November. »Hoffentlich hole ich mir nicht den Tod.«
    »Wenn, wärst du jedenfalls selbst schuld.« Ich zog den Reißverschluss meiner Daunenjacke ein Stück nach oben. »Niemand zwingt dich, hier mit mir Wache zu halten.«
    »Und niemand zwingt dich, hier draußen auf einer Parkbank herumzusitzen, um uns zu beschützen. Wir könnten es uns drinnen gemütlich machen. Mit Tee und einer Decke, bei mir im Zimmer, auf meinem Bett …«
    Er zwinkerte mir zu und ich musste mich anstrengen, nicht aus Versehen zu grinsen. Denn das würde er hundertprozentig falsch verstehen. Obwohl er wusste, dass ich seit Monaten einen anderen liebte, versuchte er immer noch, bei mir zu landen. Dabei hatte er so viel Auswahl, die Mädchen auf unserer Schule standen quasi Schlange. Trotzdem flirtete Linus mich bei jeder Gelegenheit an, als wäre ich das einzige weibliche Wesen auf diesem Planeten. Und Gelegenheiten gab es viele, wenn man bedachte, dass nicht nur seine Zwillingsschwester und ich beste Freundinnen waren, sondern seit dem Vorfall mit dem Schattenreiter vor einigen Wochen auch immer ein Seelenwanderer in der Nähe der beiden blieb.
    Unter anderem ich.
    Gemeinsam mit Marian und sieben anderen Kämpfern des Grauen Bundes teilte ich mir die Tage und Nächte, um meine Freunde vor dem zu beschützen, was ich in Gang gesetzt hatte. Es war verrückt, wie sich mein Leben verändert hatte, seit ich herausgefunden hatte, dass es die Schattenstadt Eisenheim gab, in der die Seelen aller Menschen sich versammelten, sobald diese einschliefen. Ich war zu einer Wandernden geworden: Im Gegensatz zu Wiebke und Linus erlebte ich diese Reise nun bewusst mit. Doch damit nicht genug, ich hatte meinem Vater, dem Schattenfürsten, auch noch einen magischen Stein gestohlen, ihn verborgen, wiedergefunden und erneut versteckt, bevor ich anschließend alle belog, indem ich so tat, als hätte ich meine Erinnerungen daran verloren. Das hatte einige Leute ziemlich wütend gemacht, zum Beispiel meinen Freund Marian, den ich dadurch verloren hatte, und den Eisernen Kanzler, der nun Jagd auf meine Freunde machte. Dennoch behielt ich mein Geheimnis für mich, denn der Weiße Löwe war gefährlich.
    »Geh doch einfach schlafen«, sagte ich.
    Linus kniff die Augen zusammen. »Damit du hier allein herumsitzt? Mitten in der Nacht?« Er sprach in der beruhigenden Stimmlage, mit der man Wahnsinnige bedachte, um sie nicht zu verschrecken. »Niemals. Wer weiß, wer sich hier um diese Zeit herumtreibt. Vergewaltiger, Axtmörder …« Er versuchte es zu verbergen, doch er zitterte am ganzen Körper.
    Ich betrachtete die gepflegten Vorgärten und die akkurat gesäumten Kieswege des Parks, in dem wir saßen. »Klar, in eurem Viertel ist die Kriminalitätsrate bestimmt erschreckend.« Jetzt lächelte ich doch ein bisschen.
    »Alles wäre einfacher, wenn ich auch so ein Wandernder werden könnte. Ich verstehe sowieso nicht, warum nur ein paar Tausend Menschen auf der ganzen Welt dieses komische Bewusstsein für Eisenheim haben dürfen«, schnaubte Linus.
    Weil der Rest der Menschheit in den Minen arbeiten und
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