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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut
Autoren: Andrew Kaufman
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Bettkante auf und beugte sich vor. Er suchte den Nachttisch ab. Er warf die Lampe um, schaffte es aber, sie wieder hinzustellen. Er ertastete das Telefon und hielt sich den Hörer ans Ohr. Lewis streckte die Hand nach der Tastatur aus, konnte sich aber nicht an die Lage der Null erinnern. Er versuchte, sich das Zahlenfeld vorzustellen, und war ziemlich sicher, die Null in der Mitte der untersten Reihe zu sehen. Er drückte zu. Er zählte bis fünf, bevor er sprach.
    »Hallo? Hallo? Hallo? Hallo? Hallo?«, sagte er und wiederholte es fünfzehn Mal. Da er wusste, dass der Rezeptionist normalerweise spätestens nach dem zweiten Klingeln ans Telefon kam, wähnte er sich auf der sicheren Seite. »Hier spricht Lewis Taylor aus der Kronprinzensuite«, sagte er. Er sprach schnell, um nicht unterbrochen zu werden, und lauter als nötig. »Ich möchte etwas bestellen, ein Club Sandwich mit Pommes frites, bitte stellen Sie das Tablett vor die Tür.«
    Da er seit seiner Ankunft im Fort Garry mindestens zweimal täglich Essen aufs Zimmer bestellt hatte, wusste Lewis, dass sein Sandwich, war der Anruf gelungen, in fast genau dreißig Minuten vor seiner Tür stehen würde. Er setzte sich mitten aufs Bett und wartete. Nach gefühlten dreißig Minuten stand er auf. Er streckte die Arme aus und machte sich auf den Weg zur Tür.

    Er öffnete sie, kniete nieder und ertastete ein Tablett. Er nahm den Deckel ab. Das Sandwich war kalt. Das Brot wurde schon hart. Der Hunger überkam ihn, und Lewis fing zu essen an, noch während er in der Tür saß. Er biss große Stücke ab. Er aß schnell, er schlang beinahe. Als er den Eindruck hatte, alles aufgegessen zu haben, zog er sich in die Suite zurück und ließ das Geschirr im Flur stehen.

Vierzig
    Mr Zimmers Warnung
    Edward und Rebecca standen in einer schmalen Müllschlucht. Rebecca zählte die Möwen, die über den Abfallhaufen ihre Kreise zogen, und kam bis fünfundsiebzig, bevor ein Bulldozer die Vögel vertrieb. Sie beugte sich zurück und schaute den Möwen nach. Ihr Schutzhelm fiel herunter, aber sie hob ihn nicht auf. Auch Zimmers Helm saß zu locker. Er hielt sich den Hemdkragen vor Mund und Nase und hatte seine Hosenaufschläge in die Rautensocken gestopft. Während sie von einem Müllhaufen zum nächsten wanderten, schubste Zimmer kleinere Objekte mit dem Schuh beiseite und hob größere mit dem Ende eines Besenstiels an. Als er spürte, dass Rebecca nicht länger mithalf, drehte er sich um. Er sah ihren Helm auf dem Boden liegen.
    »Heben Sie ihn auf!«, sagte er gedämpft durch den Kragen. »Die haben gesagt, wir müssen sie tragen.«
    Rebecca tat, wie ihr geheißen. Der Helm rutschte ihr über die Augen, und sie drehte ihn um, so dass der Schirm hinten war. Sie starrte in die Ferne, wo drei Mülllaster entladen wurden. Sie sah den Abfall herausfallen. Rebecca hatte Mülllaster immer für groß gehalten und ihr Fassungsvermögen für riesig, aber nun sah es anders aus. Verglichen mit dem Müll, der bereits herumlag, wirkten die einzelnen Ladungen winzig. Sie schaute zu Boden und trat gegen einen Puppenkopf aus Plastik.
    »Es ist hoffnungslos«, sagte sie. »Außerdem stinkt es hier.
Bringen Sie mich nach Hause?« Sie hatte die erste sichere Entscheidung des Tages getroffen.
    »Nein«, sagte Zimmer. Er hob eine Jeanshose an, indem er seinen Besenstiel durch eine der Gürtelschlaufen steckte. »Wir können die Sachen finden. Sie müssen irgendwo hier sein. Wir brauchen bloß zu suchen.« Beim Sprechen schwenkte er den Besenstiel hin und her, so dass die Hose tanzte.
    Rebecca starrte abwesend.
    »Wir müssen Ihre Sachen finden.«
    Rebecca lief durch den Müll, bis sie neben ihm stand. Sie legte eine Hand auf Zimmers Schulter und drückte sanft zu. Zimmer seufzte und ließ die Schultern sinken. Die Sonne versank hinter den Bulldozern, als die Fahrer die Motoren ausschalteten. Zimmer nickte, und Rebecca folgte ihm zu seinem Auto.

    Nachdem sie die Müllkippe verlassen hatten, parkte Zimmer vor Rebeccas Haus und senkte die Seitenscheibe ab. Rebecca fuhr die Kanten des Handschuhfachs mit der Fingerspitze ab. Auf dem Gehweg kam ein Paar vorbei, und Zimmer wartete ab, bevor er sprach.
    »Wissen Sie, Sie sind nicht die Einzige, die das hat«, sagte er.
    »Was?«
    »Die Gefühle. Dass andere fühlen, was Sie fühlen.«
    »Ich habe keinen getroffen.«
    »Doch, haben Sie. Sie haben es bloß nicht gemerkt. Oder Sie dachten einfach, Sie würden sich besonders gut verstehen. Jeder hält sich
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