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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut
Autoren: Andrew Kaufman
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Kreuzung, als Rebecca einen Blick aus dem Fenster warf und einen weißen Honda Civic bemerkte, der auf sie zugerast kam. Der Fahrer machte keine Anstalten zu bremsen.
    »Das Auto wird uns rammen«, sagte sie leise.
    Lewis hatte den Kopf längst gedreht, weil er Rebeccas Angst
gefühlt hatte. Als der weiße Honda Civic weniger als einen halben Block entfernt war, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, machten Lewis und Rebecca eine sehr merkwürdige Beobachtung.
    »Hast du das gesehen?«, fragte Lewis.
    »Ja«, sagte Rebecca.
    Anscheinend hatte der Fahrer des Honda grüne Haut. In diesem Moment trat das Wesen auf die Bremse. Die Hinterräder blockierten, die Reifen quietschten und der beißende Geruch von verbranntem Gummi breitete sich aus, während der weiße Honda Civic auf die Limousine zuschlitterte. Als er schließlich zum Stillstand kam, waren zwischen der Stoßstange und der Seitentür, hinter der Rebecca saß, nur wenige Zentimeter Platz. Zehn Sekunden lang blieben die Insassen beider Autos reglos sitzen und starrten einander durch zwei Windschutzscheiben hindurch an. Lewis und Rebecca waren von der grünhäutigen Frau so fasziniert, dass sie nicht hörten, wie der Fahrer den Motor anließ. Die Limousine machte einen Satz nach vorn, und sie wurden auf die Rückbank gedrückt. Ein zweiter Ruck warf beide zu Boden.
    Rebeccas Gesicht wurde in den Teppichboden gedrückt, der nach Bleiche und Champagner roch. Sie krabbelte aus dem Wagen. Sie hatte es zu eilig, einen zweiten Blick auf die Fahrerin des weißen Honda zu werfen, um sich zu bücken und den Inhalt ihrer Handtasche aufzusammeln, der auf der Straße verteilt lag. Rebecca kletterte aus der Limousine, dicht gefolgt von Lewis und dem Fahrer. Die drei standen mitten auf der Kreuzung. Der weiße Honda Civic fuhr in südlicher Richtung weiter, er wurde immer schneller und bog an der nächsten Ecke ohne zu blinken nach rechts ab. Rebecca hatte am Nummernschild die Provinz Nova Scotia erkannt.
    »Das war knapp«, sagte der Fahrer. Rebecca nickte. Lewis
hob beide Hände und ging rückwärts. Er hatte gehofft, die so verzweifelt ersehnte Trauer würde sich bald einstellen. Jetzt aber, wo er beinahe von einer grünhäutigen Frau getötet worden war, wurde ihm klar, dass seltsame Dinge vor sich gingen und das erhoffte Gefühl sich kaum noch einstellen würde. Er hielt die Hände in die Luft, ignorierte die hupenden Autos, deren Weg er blockierte, und entfernte sich rückwärts von der Limousine.
    »Lewis? Was tust du da?«, fragte Rebecca. Ihre Verwirrung reichte über zwei Fahrspuren hinweg.
    »Ich kann nicht mitkommen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie dort sein wird. Sie wird mich sehen. Sie wird es merken.«
    »Was wird sie merken?«
    »Es tut mir leid.«
    Lewis wedelte mit der rechten Hand und hielt ein Taxi an, das vor ihm zum Stehen kam.
    »Das wird dir noch leidtun!«, rief Rebecca. Ihre Wut erfasste die Fußgänger auf der gegenüberliegenden Straßenseite; einige blieben stehen und starrten herüber, andere huschten weiter. Lewis stieg ins Taxi und zog die Tür zu. Er starrte geradeaus und konnte Rebeccas Wut fühlen, als sei es seine eigene.

Zwei
    Die vielen Gründe, warum Rebecca Reynolds Lewis Taylor hasst
    Als die Limousine endlich die Kreuzung von Queen und Broadview hinter sich gelassen hatte, streifte Rebecca ihre Schuhe ab, legte sich auf die Rückbank, stemmte ihre Fußsohlen gegen die kalte Seitenscheibe und legte in Gedanken eine Liste der Gründe an, warum sie Lewis Taylor hasste. Es fiel nicht schwer. Erstens: Er ist arrogant. Zweitens: Er ist ein Arschloch. Drittens: Er wird nie und nimmer einsehen, dass sie unersetzlich ist. Noch bevor die Limousine die Parliament Street erreicht hatte, war Rebecca bei Grund Nummer zwölf angekommen, und die Liste wurde immer länger, je weiter sie auf der Queen Street in westlicher Richtung dahinrollten.
    Rebecca drückte ihre Füße an die Scheibe und schloss die Augen. Sie atmete tief durch, weil sie wusste, ihre Wut würde den Fahrer unnötig aufregen. Sie riss sich zusammen, konnte sich aber nicht beruhigen. Sie hob die Hand und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. In spätestens dreißig Minuten musste sie in der Kirche sein. Sie setzte sich auf und senkte die getönte Scheibe ab, die sie vom Fahrer trennte.
    »Ich möchte erst um kurz vor halb zwei ankommen«, sagte sie.
    Sie ließ die Trennscheibe hochfahren und streckte sich wieder auf der Rückbank aus. Das Auto bog scharf nach rechts ab, und
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