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Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Titel: Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia
Autoren: Giesa Werner K.
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wird es in dieser Nacht geschehen«, murmelte Tertisch undeutlich. Ihre Hand umklammerte das Geländer wie eine Faust aus Eisen. Holz knackte leicht und verriet die unbändige Kraft, die in dieser Faust steckte. Der steife Arm behinderte Tertisch kaum.
    »Lange genug warten wir schon. Aber nicht mehr lange.«
    »Verliere nicht die Geduld«, warnte die Hexe. »Du weißt, was es bedeutet, eine Schwimmende Stadt anzugreifen. Vor allem, wenn es sich um Hanquon handelt, die unparteiische.«
    »Ha!« machte Tertisch. »Die Sturmbrecher nimmt es mit zwei Städten zugleich auf!«
    »Ich sprach nicht von der Kampfkraft«, warnte Sosona leise. »Ich sprach von der Ehre. Verliere sie nicht zusammen mit der Geduld.«
    Tertisch knurrte wie ein Raubtier.
    »Warten, warten… wann nimmt es ein Ende?«
*
    Der Empfang auf der Insel war herzlich und geradezu überschäumend. Fröhliche und ausgelassene Frauen liefen den anlegenden Reisenden entgegen, halfen ihnen beim Verlassen des großen Blattes und sprudelten Begrüßungsworte und tausend Fragen hervor, die ihnen so weit wie möglich beantwortet wurden. Rasch setzte sich eine Gruppe in Richtung der kleinen Häuser in Bewegung, während viele andere am Ufer zurückbleiben, um den Anblick der Blume in sich aufzunehmen.
    Es war in der Tat ein seltenes Bild.
    Lumeniae gab es zahlreich, und auch eine blühende Lumenia gehörte nicht gerade zu den Dingen, die einmal in tausend Jahren vorkamen. Aber eine Lumenia, die schon elf Blütezeiten hinter sich gebracht hatte, bekam man doch nicht alle Tage zu sehen. Sie war einmalig. Keine andere Lichtblume Vangas hatte es bislang auf eine so hohe Zahl gebracht.
    »Wie alt ist die Blume?« lautete eine der meistgestellten Fragen. »Wie oft, schätzt ihr, wird sie sich noch in dieser Pracht zeigen?«
    Es waren Fragen, die niemand mit Genauigkeit beantworten konnte. Die Blütezeiten waren in unterschiedlichen Abständen erfolgt, und jedesmal hatten fünfzehn bis zwanzig Sommer dazwischen gelegen. Doch weil die genauen Zeiten nie niedergeschrieben worden waren, war das Alter der Lumenia nur annähernd zu bestimmen.
    Und wie oft sie noch blühen würde – niemand konnte es sagen.
    Auch Mythor in seiner Maske konnte sich nicht vor Fragen retten, und zum erstenmal seit seinem Auftauchen in Vanga wurde er nicht wie ein seltenes Schaustück angestarrt, weil die Maske ihn schützte und nicht ahnen ließ, daß wirklich ein Mann dahintersteckte. So hielt man seine Maskierung als Prinz der Düsternis nur für besonders geschickt gewählt.
    Im Trubel wurden die Maskenträgerinnen bald voneinander getrennt. Musik erklang, es wurde getanzt und gelacht, gefeiert, getrunken und getafelt, und nicht wenige der Hanquonerinnen wurden in die kleinen Häuser eingeladen. Schon sehr bald verlor Mythor Scida aus den Augen.
    Auch er wurde alsbald angesprochen. »Komm in unser Haus, iß und trink mit uns«, wurde er aufgefordert. »Und erzähle uns von der Schönheit der Blume!« Eine stämmige Frau mit geröteten Wangen zerrte an seinem Mantel. »Erweise uns die Ehre!«
    Nun, dachte er, ehe ich mich erschlagen lasse… wo sonst kommt man heutzutage noch umsonst an Fleisch und Wein?
    Und so folgte er der Frau in ihre kleine Behausung.
*
    Das Boot trug keinen Namen, und Lissanta, die Amazone, hatte darauf verzichtet, es nachträglich zu taufen. Sie besaß zu ihm keine innere Beziehung. Es war nur eine teuer bezahlte Leihgabe, die in dem Moment von selbst, vom Zauber gelenkt, nach Ascilaia zurückkehren würde, in dem sie es verließ.
    Durch den Ausleger lag das Boot auch ohne Kiel einigermaßen gut auf dem Wasser, tanzte auf den Wellen und schlug auch bei größeren Wogen nicht leicht um, so daß Lissanta nicht allzusehr zu kämpfen hatte, ein Kentern auf hoher See zu verhindern. Denn zwischen den Inseln war das Meer nicht so ruhig wie direkt an den Ufern. Und durch das Dreiecksegel war das Boot gut lenkbar.
    Zu spät war es Lissanta eingefallen, Verpflegung mitzunehmen. Sie war nur von ihrem Zorn und dem Drang, ihre Aufgabe auf irgendeine Weise doch noch zu erledigen, erfüllt gewesen, und dieser Zorn hatte sie das Wichtigste vergessen lassen. Allmählich jedoch wurde ihr bewußt, worauf sie sich eingelassen hatte.
    Hunger – der war zu ertragen. Sie konnte ohne weiteres ein paar Tage ohne Essen auskommen, aber schlimmer war der Durst. Denn das Wasser des Meeres war salzig und würde sie umbringen, wenn sie ein paar Schlucke davon trank. Die Sonne brannte tagsüber heiß
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