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Mystic River

Titel: Mystic River
Autoren: Dennis Lehane
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schon. Er konnte damit leben, weil er Liebe und Sicherheit im Herzen trug. Gar kein so schlechtes Tauschgeschäft.
    Er zog sich an. Er lief mit dem Gefühl durch die Küche, als sei der Mann, der zu sein er all die Jahre vorgegeben hatte, gerade im Badezimmer durch den Abfluss gespült worden. Er konnte seine Töchter kreischen und lachen hören, wahrscheinlich leckte Vals Katze sie ab, und er dachte, Mann, was für ein herrliches Geräusch.
     
    Draußen auf der Straße fanden Sean und Lauren einen Parkplatz vor dem Café von Nate und Nancy. Nora schlief in ihrem Kinderwagen und sie schoben sie in den Schatten unter der Markise. Sie lehnten sich gegen die Wand und leckten an ihrem Eis. Sean sah seine Frau an und fragte sich, ob sie es schaffen würden oder ob die jahrelange Entfremdung zu viel Schaden angerichtet, ihre Liebe und die ganzen guten Jahre, die es ja auch in ihrer Ehe gegeben hatte, verschüttet hatte. Lauren aber nahm seine Hand, drückte sie, und er betrachtete seine Tochter und fand, dass sie ein bisschen wie etwas aussehe, das man anbeten musste, wie eine kleine Göttin vielleicht. Der Gedanke beglückte ihn.
    Auf der anderen Seite des Umzugs erblickte Sean Jimmy und Annabeth Marcus, deren beide hübsche Töchter auf den Schultern von Val und Kevin Savage saßen und allen Themenwagen und Cabrios zuwinkten, die vorbeifuhren.
    Vor 216 Jahren, das wusste Sean, hatten sie hier das erste Gefängnis am Ufer des Kanals erbaut, der schließlich nach dem Gebäude benannt werden sollte. Die ersten Siedler in Buckingham waren die Gefängniswärter mit ihren Familien und die Frauen und Kinder der Männer gewesen, die im Knast saßen. Die Waffenruhe hatte oft getrogen. Wenn die Inhaftierten freigelassen wurden, waren sie oft zu müde oder zu alt, um noch weit wegzuziehen, und so war Buckingham bald bekannt als Sammelplatz des Abschaums. Entlang der Hauptstraße und der anderen schmutzigen Straßen schossen Saloons aus dem Boden und die Gefängniswärter eroberten die Hügel, im wahrsten Sinne des Wortes, bauten ihre Häuser auf dem Point, damit sie wieder auf die Menschen herabblicken konnten, die sie vorher getriezt hatten. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der Viehhandel floriert, schlagartig waren Viehhöfe entstanden, wo sich jetzt die Schnellstraße befand. Die Sydney Street war ein Güterzug entlang gefahren, der Ochsen geliefert hatte, die dann bis zur Mitte der langen Straße hochgetrottet waren, wo nun die Umzugsroute verlief. Generationen von Insassen und Schlachthausgehilfen mit ihren Nachkommen hatten die Grenzen der Flats bis zu den Güterbahngleisen ausgedehnt. Infolge irgendeiner vergessenen Reformbewegung war das Gefängnis geschlossen worden und der Viehhandel zurückgegangen, aber die Saloons schossen weiter wie Pilze aus dem Boden. Auf die italienische Einwanderungswelle folgte eine irische mit mindestens doppelt so vielen Menschen. Dann baute man die Hochbahn und die Menschen strömten in die Stadt, um dort zu arbeiten, kamen am Ende des Tages aber immer wieder zurück. Sie kehrten hierher zurück, weil sie dieses Dorf aufgebaut hatten, seine Gefahren und Freuden kannten und weil – das war am wichtigsten – hier nichts passierte, das sie überraschen konnte. Korruption, Blutvergießen, Schlägereien in Kneipen, Glücksspiele und Sex am Samstagmorgen besaßen eine gewisse Logik. Sie erschloss sich niemandem sonst, aber genau darauf kam es ja an. Niemand sonst war hier willkommen.
    Lauren lehnte sich an ihn, ihr Kopf ruhte unter seinem Kinn, und Sean spürte ihren Zweifel und gleichzeitig ihre Entschlossenheit, ihr Bedürfnis, den Glauben an ihn wiederzugewinnen. Sie fragte: »Wie groß war deine Angst, als dieser Junge die Pistole auf dich richtete?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Ja.«
    »Ich war kurz davor, mir in die Hose zu machen.«
    Sie reckte den Kopf vor und sah ihn an. »Im Ernst?«
    »Ja«, sagte er.
    »Hast du an mich gedacht?«
    »Ja«, erwiderte er. »Ich hab an euch beide gedacht.«
    »Was hast du gedacht?«
    »An das hier«, antwortete er. »An jetzt.«
    »An den Umzug und so?«
    Er nickte.
    Sie küsste seinen Hals. »Du hast nur Blödsinn im Kopf, Schatz. Aber es war lieb, mir so was zu sagen.«
    »Ich hab nicht gelogen«, protestierte er. »Wirklich nicht.«
    Lauren betrachtete Nora. »Sie hat deine Augen.«
    »Aber deine Nase.«
    Sie schaute weiter ihr Kind an und meinte: »Hoffentlich funktioniert es.«
    »Ja.« Er küsste sie.
    Sie lehnten sich zusammen gegen die
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