Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
sagte Jimmy und war überrascht, dass er sich tatsächlich ganz in Ordnung fühlte. Noch immer trug er Katie in sich wie ein zweites, wundes, wütendes Herz, das sein irres Klopfen niemals einstellen würde, davon war er überzeugt. Da machte er sich nichts vor. Die Trauer war nun eine Konstante, ein untrennbarer Teil von ihm, wie seine Gliedmaßen. Aber irgendwie hatte er sie während dieses langen Schlafs grundsätzlich akzeptiert. Sie war da, gehörte zu ihm, und auf dieser Ebene konnte er mit ihr umgehen. Daher fühlte er sich unter den gegebenen Umständen viel besser, als er erwartet hatte. »Mir … geht’s gut«, rief er Maureen und Dan zu. »Den Umständen entsprechend, ihr wisst schon!«
    Maureen nickte und Dan fragte: »Brauchst du was, Jim?«
    » Irgendwas, halt«, ergänzte Maureen.
    Und Jimmy verspürte eine stolze, scheinbar unendliche Liebe für die beiden und das ganze Viertel, als er sagte: »Nein, alles klar! Aber danke. Vielen Dank! Ich weiß das zu schätzen.«
    »Kommst du runter?«, fragte Maureen.
    »Ja, denke schon«, rief Jimmy zurück, obwohl er es erst in dem Moment beschloss, als die Worte seinen Mund bereits verlassen hatten. »Dann sehen wir uns gleich, ja?«
    »Wir halten dir einen Platz frei«, versprach Dan.
    Sie winkten noch mal, Jimmy winkte zurück und löste sich vom Fenster, die Brust erfüllt mit dieser überwältigenden Mischung aus Stolz und Liebe. Das waren seine Leute. Und das war sein Viertel. Seine Heimat. Sie würden ihm einen Platz freihalten. Ja. Jimmy aus den Flats.
    So hatten ihn die Großen damals genannt, bevor er nach Deer Island verfrachtet wurde. Sie hatten ihn mit in ihre Clubs auf der Prince Street im North End genommen und gesagt: »Hey, Carlo, dies ist der Freund von mir, von dem ich dir erzählt habe: Jimmy. Jimmy aus den Flats.«
    Und Carlo oder Gino oder ein anderer mit O am Ende hatte die Augen aufgerissen und gesagt: »Ohne Scheiß? Jimmy Flats. Freut mich, Jimmy! Du machst gute Arbeit.«
    Dann folgten Witze über sein Alter: »Wie, hast du den ersten Safe mit einer Windelnadel geknackt?« Aber Jimmy spürte den Respekt, merkte, dass die harten Jungs eine gewisse Ehrfurcht in seiner Gegenwart empfanden.
    Er war Jimmy Flats. Erste Gang mit siebzehn. Siebzehn – zieh dir das mal rein! Der meint’s ernst. Mit dem ist nicht zu spaßen. Ein Mann, der das Maul halten konnte und wusste, wie der Hase lief und wie man jemandem Respekt erwies. Ein Mann, der für seine Freunde Geld verdiente.
    Damals war er Jimmy Flats und jetzt war er Jimmy Flats. Und diese Leute, die sich entlang der Umzugsstrecke einfanden, die liebten ihn. Sie machten sich Sorgen um ihn und versuchten seinen Schmerz zu lindern, so gut sie konnten. Und dafür, dass sie ihn liebten, was gab er ihnen dafür? Das musste er sich fragen. Was gab er ihnen eigentlich?
    Der Einzige, den man in den Jahren, seit die Bundesbullen die Gang von Louie Jello mit dem RICO-Gesetz hochgenommen hatten, in diesem Viertel annähernd als »Herrscher« hätte bezeichnen können, war – wie bitte? – Bobby O’Donnell? Bobby O’Donnell und Roman Fallow. Zwei fliegengewichtige Dealer, die mit Erpressung und Geldverleih angefangen hatten. Jimmy hatte die Gerüchte gehört – dass sie eine Art Deal mit der Vietnamesen-Gang aus Rome Basin hatten, damit die Schlitzis es nicht auf die harte Tour versuchten. Jimmy war zu Ohren gekommen, dass sie gegenseitig ihr Territorium abgesteckt und den Deal dann gefeiert hatten, indem sie Connys Blumenladen in Schutt und Asche legten, als Warnung für jeden, der sich weigerte, ihnen die »Versicherungsprämie« zu zahlen.
    So machte man das nicht. Man machte seine Geschäfte außerhalb des eigenen Viertels; man machte das eigene Viertel nicht zur Einnahmequelle. Man hielt seine Leute sauber und sicher und aus Dankbarkeit schützten sie dich und sperrten die Ohren auf, wenn was von Ärger geflüstert wurde. Und wenn ihre Dankbarkeit gelegentlich die Form eines Umschlags, eines Kuchens oder eines Autos annahm, dann war das ihre Entscheidung und deine Belohnung dafür, sie in Sicherheit leben zu lassen.
    So beherrschte man sein Viertel. Wohlwollend. Mit einem Auge auf den Bedürfnissen der anderen und einem auf den eigenen. Man ließ Bobby O’Donnell und die schlitzäugigen Tongs nicht in dem Glauben, sie könnten hier einfach so hereinspazieren und sich nehmen, wonach ihnen der Sinn stand. Nicht wenn sie auf ihren eigenen gottgegebenen Beinen wieder rausspazieren wollten.
    Jimmy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher