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Mystic River

Titel: Mystic River
Autoren: Dennis Lehane
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Hauswand. Unablässig schoben sich Menschen an ihnen vorbei und plötzlich stand Celeste vor ihnen. Ihr Gesicht war blass, das Haar voller Schuppen, und sie zog sich an den Fingern, als wolle sie sie aus den Gelenken reißen.
    Sie blinzelte Sean an. »Hey, Trooper Devine!«, sagte sie.
    Sean streckte die Hand aus, weil Celeste aussah, als müsse er sie festhalten, damit sie nicht davonschwebte. »Hey, Celeste. Nennen Sie mich doch Sean, ja?«
    Sie gab ihm die Hand. Sie war feucht, die Finger fühlten sich heiß an und Celeste ließ sofort wieder los, kaum dass sie ihn berührt hatte.
    »Das ist Lauren, meine Frau«, erklärte Sean.
    »Hallo«, begrüßte Lauren Celeste.
    »Hey.«
    Einen Augenblick lang wusste keiner, was er sagen sollte. Sie standen da, befangen und ratlos. Dann schaute Celeste auf die andere Straßenseite. Sean folgte ihrem Blick und sah Jimmy, der mit Annabeth dastand und sie umarmte. Die beiden erstrahlten förmlich im hellen Tageslicht und hoben sich deutlich von ihren Verwandten und Bekannten ab, die um sie herum standen. Annabeth und Jimmy wirkten, als könnten sie nie wieder etwas verlieren.
    Jimmys Blick streifte Celeste und blieb an Sean hängen. Er nickte zum Gruß und Sean nickte zurück.
    »Er hat meinen Mann getötet«, sagte Celeste.
    Sean merkte, dass Lauren erstarrte.
    »Ich weiß«, erwiderte er. »Ich kann es noch nicht beweisen, aber ich weiß es.«
    »Werden Sie es denn können?«
    »Was?«
    »Es beweisen«, antwortete sie.
    »Ich werde es versuchen, Celeste. Das schwöre ich bei Gott.«
    Celeste schaute auf die Straße und kratzte sich mit träger Grausamkeit den Kopf, als suchte sie nach Läusen. »In letzter Zeit krieg ich die Gedanken einfach nicht mehr zusammen.« Sie lachte. »Hört sich merkwürdig an. Aber ich schaff’s nicht. Ich krieg’s einfach nicht hin.«
    Sean berührte ihren Arm. Sie sah ihn an, ihre braunen Augen wirkten zornig und alt. Sie schien davon auszugehen, dass er sie schlagen wollte.
    »Ich kann Ihnen den Namen eines Arztes nennen, Celeste«, sagte er. »Ein Spezialist für Menschen, die Angehörige durch Gewaltverbrechen verloren haben.«
    Sie nickte, obwohl seine Worte ihr nicht im Geringsten weiterhalfen. Sie ließ den Arm sinken und begann wieder, an ihren Fingern zu zerren. Sie merkte, dass Lauren sie beobachtete, und schaute hinunter auf ihre Hände. Sie senkte sie noch ein Stück, nahm sie dann aber wieder hoch, verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Hände unter die Ellenbogen, als wollte sie verhindern, dass sie davonflogen. Sean sah, dass Lauren Celeste zaghaft anlächelte. Es war ein Lächeln tiefsten Mitgefühls und es überraschte ihn, dass Celeste das Lächeln scheu erwiderte und Lauren dankbar anblickte.
    In dem Moment liebte er seine Frau so innig wie nie zuvor. Er schämte sich ein wenig, weil sie im Gegensatz zu ihm die Fähigkeit besaß, Verlorenen ein unmittelbares Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. In dem Moment wusste er, dass er seiner Ehe geschadet hatte, durch sein Super-Bullen-Ego und seine wachsende Verachtung für die Fehler und Schwächen der Menschen.
    Er strich Lauren über die Wange und Celeste wandte den Blick ab.
    Sie schaute auf die Straße, wo ein Umzugswagen in Form eines Baseballhandschuhs vorbeifuhr, auf dem unzählige Spieler der Kinderliga standen. Die Kinder strahlten, die Aufmerksamkeit der Zuschauer ließ sie fast den Verstand verlieren.
    Etwas an dem Wagen ließ Sean frösteln. Vielleicht war es die Tatsache, dass der Baseballhandschuh im Begriff zu sein schien, die Kinder zu zerquetschen anstatt sie nur zu umfassen, die ahnungslosen Kinder, die wie Besessene grinsten.
    Außer einem. Einer hatte schlechte Laune und betrachtete versonnen seine Stollen. Sean erkannte ihn sofort: Daves Sohn.
    »Michael!«, winkte Celeste ihm zu, aber der Junge reagierte nicht. Er blickte nach unten, obwohl sie ihn immer wieder rief. »Michael, Schatz! Liebling, guck mal! Michael!«
    Der Wagen fuhr weiter. Celeste hörte nicht auf zu rufen, aber ihr Sohn schaute absichtlich in die andere Richtung. Michaels Schultern erinnerten Sean an Dave, und wenn der Junge das Kinn senkte, glaubte Sean, den kleinen Dave vor sich zu haben, seine fast schon zarten Züge wiederzuerkennen.
    »Michael!«, schrie Celeste. Sie zerrte wieder an ihren Fingern und verließ den Bürgersteig.
    Der Wagen fuhr vorbei, aber Celeste folgte ihm, schob sich durch die Menschenmassen, winkte, rief ihren Sohn.
    Sean spürte, wie Lauren träge
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