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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Richtigen zu finden. Aber das heißt doch nicht, dass du unermüdlich
alle Falschen ausprobieren musst. Anscheinend führst du dein Liebesleben nach
der Trial-and-Error-Methode. Als ob man einen Louis-quartorze-Stuhl mit einem
Verandatisch aus Plastik kombiniert. Das passt einfach nicht.«
    »Verstehe«,
sagte Bel. »Du meinst also, ich bin ein Stuhl?«
    »Ein
Louis-quartorze-Stuhl«, präzisierte ich.
    »Und meine
Freunde sind die Verandatische.«
    »Tja,
zugegeben«, sagte ich. »Der da draußen sieht eher aus wie einer von diesen
schwedischen Do-it-yourself-Kleiderschränken.«
    »Du machst
mir Sorgen«, sagte Bel. Sie stand auf und drehte sich im Lichtschein der Lampe
wütend um. »Ernsthafte Sorgen. Dir scheinen echt böse Geister im Nacken zu
sitzen, Charles. Du tust alles, um jede meiner Beziehungen zu zerstören. Du
schaffst es, dass sich jeder, den ich mitbringe, unwohl fühlt, und du schaffst
es, mich wie eine hochnäsige Society-Schickse aussehen zu lassen. Keiner war
gut genug für dich. Kevin war zu schlecht angezogen...«
    »Die
Sandalen. Und die Socken.«
    »Liam war
zu schottisch...«
    »Aber so
was von schottisch. Also, Bel, wirklich. Der Dudelsack. Und die endlosen
Zitate aus Braveheart. Offensichtlich gibt es bei jedem,
der stolz auf seine schottische Herkunft ist, gewisse Punkte...«
    »David?«
    »Watschelgang.«
    »Roy?«
    »Verdrängte
Homosexualität.«
    »Anthony?«
    Ich
kratzte mich am Kopf. »Eine Vollnull.«
    »Thomas,
was war der? Wie hat der dich beleidigt?«
    Warum
singen Vögel? Warum ist der Himmel blau? Thomas, der angebliche Körperkünstler,
der aussah, als wäre er mit dem Gesicht voraus in einen Sack voller Nägel
gefallen. Ich enthielt mich eines Kommentars und gönnte mir nur ein
herablassendes Glucksen.
    »Ist dir
eigentlich nie der Gedanke gekommen«, fuhr Bel in ironischem Tonfall fort,
»dass das Problem bei dir liegen könnte? Hast du dich nie gefragt, warum bin
ich nur so besessen vom Liebesleben meiner Schwester? Bin ich nicht ein klein
bisschen krank, vor allem, weil ich selbst den ganzen Tag nur im Haus rumhänge
und Vaters Wein trinke, vor dem Fernseher sitze und mit einzigartig blöden
Mädchen rummache, in deren hübschen kleinen Köpfen sich auch nicht ein Hauch
von Hirn befindet? Wie dieses eine grässliche Püppchen, der Name hatte
irgendwas mit Stierkampf zu tun. Und gleichzeitig krittel ich an meiner unglücklichen
Schwester rum, weil sie versucht, eine normale, echte Beziehung aufzubauen und
ein richtiges Leben zu führen?« Sie war jetzt auf hundert und fing an, im
Zimmer herumzustapfen. »Soll ich etwa für den Rest meines Lebens hier auf
Amaurot rumhängen und nichts anderes tun, als meine Nase in anderer Leute
Angelegenheiten zu stecken, ganz so, als gehörten sie mir,
wo mich doch in Wahrheit das alles einen Dreck angeht?«
Zitternd vor Wut drehte sie sich um und schaute mich an, als erwarte sie eine
Antwort.
    »Reden wir
immer noch über mich?«, sagte ich.
    »O ja,
Charles«, sagte sie und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Was
schlägst du vor? Soll ich etwa, anstatt mich um meine Familie zu kümmern und
sie zu beschützen, da draußen eine ... eine Arbeit annehmen?
Meinst du das?«
    »Mit einem
Wort, ja«, sagte Bel.
    Ich war
verwirrt. »Das ist nicht das Thema«, sagte ich störrisch.
    »Möglich«,
sagte Bel. »Aber es ist höchste Zeit, dass dir mal einer ein paar unangenehme
Wahrheiten sagt.«
    »Ich
glaube, mir wird wieder übel«, sagte ich schnell.
    Sie sagte
sie mir trotzdem. Unbarmherzig. Sie erklärte mir, dass ich aufgrund irgendeiner
verqueren Logik meine unerbetenen Einmischungen als väterlich und fürsorglich
missdeute, dass diese aber in Wahrheit aufdringlich und erstickend seien. »Der
einzige Grund dafür ist, dass du sonst nichts zu tun hast. Die letzten beiden
Jahre hast du hier rumgesessen und getrunken, allein oder mit deinen
nichtsnutzigen Freunden. Du hast im Grunde nicht den geringsten Begriff davon,
was es bedeutet, erwachsen zu sein. Mir reicht's, Charles. Mir ist es
inzwischen völlig egal, ob du noch mal zurück ans College gehst. Mir ist es
egal, ob du dein Leben ruinierst. Aber ich seh nicht mehr ein, warum ich meins
auch ruinieren soll. Wenn du vorhast, als Versager zu enden, bitte. Aber zieh
mich da nicht mit rein.«
    »Versager?«,
kreischte ich. »Irgendwer muss ja die Familientradition bewahren, oder?
Irgendwer muss die Fahne hochhalten.«
    »Vater hat
nie einen Tag freigenommen«, sagte sie geringschätzig. »Und hatte
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