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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Ameches
fromme Ehefrau hat. Danach lief der großartige Whirlpool von Otto
Preminger. Ihre seltsame Mischung aus Anziehungskraft und Geistesabwesenheit
kam dann aufs Beste zum Tragen. Gene passte zu Hollywoods Absichten, als hätte
man sie auf einem Studiogelände in Burbank gezüchtet. Sie zog den Zuschauer im
gleichen Maße in die Handlung, wie sie sich selbst aus ihr entfernte. Wenn sie
wie eine Sirene, blasser und blasser werdend, schließlich ganz aus dem Film
verschwand, hatte sie einen völlig in den Film hineingesogen. Man fand sich
allein in dem Raum wieder, wo eigentlich sie sein sollte, in den Schatten und
den Spinnweben von Premingers grausamer Konstruktion.
    Ich schaue
mir jede Menge alter Filme an, und seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe,
war Gene Tierney mein Lieblingsstar aus jener Ära der wahren Stars. Obwohl sie
heute weitgehend vergessen ist, betrachtete man sie zu ihrer Zeit als die
schönste Frau, die jemals die Leinwand beglückt hatte. Ihre Schönheit
offenbarte sich in Form einer schwelenden, rein femininen Düsterkeit, ohne die
beruhigende Maskulinität einer Bacall oder Frivolität einer Hayworth. Den
Filmemachern schien das Angst einzujagen. Sie besetzten sie konsequent gegen
ihren Typ, als dümmliche Hausfrau, als gutmütigen Dussel oder als Karikatur
einer arabischen Prinzessin. Rollen, die darauf angelegt waren, die Furcht
einflößende Kraft ihres Gesichts einzuschränken und herunterzuspielen und
stattdessen die ihr eigene, tief sitzende Unsicherheit hervorzukehren. Selbst
als sie sie schon liebten, beharrten Kritik und Filmindustrie einmütig darauf,
dass sie nicht spielen konnte. (Zum Beispiel schrieb ein Kritiker über Whirlpool, in dem sie eine von einem skrupellosen Psychoanalytiker ausgenutzte
Kleptomanin spielt: »Manchmal fällt es schwer, an Gene Tierneys Spiel
abzulesen, ob sie unter Hypnose steht oder nicht.«) Der einzige Regisseur, der
sie und das, was die Zuschauer in ihr sahen, zu verstehen schien, war Otto
Preminger. In Laura, seinem und ihrem besten Film, ist
sie die meiste Zeit tot, erscheint auf der Leinwand nur in Form eines Gemäldes
oder in den Aussagen der Personen, die verdächtigt werden, sie umgebracht zu
haben.
    Ich hatte
jedoch beide Filme schon vorher gesehen, sodass ich, ausgelaugt durch die
Strapaze der Essenszubereitung, eindöste. Während ich schlief, hatte ich nicht
zum ersten Mal in den letzten Monaten das merkwürdige Gefühl, dass auf
irgendeine unerklärliche Weise der Film mich sah. Ich
wurde gequält von üblen Träumen, von lockenden, vampirhaften Frauen, die ich
aber nur unscharf erkennen konnte, und die sich schließlich in schreckliche
Monster verwandelten, die mich mit zahnlosen Mäulern angrinsten und
bedeutungsvoll auf einen breiten Kamin deuteten, auf dessen Sims Reihen von
leeren Flaschen standen. Ich wurde geweckt von Stimmen, die von der Tür kamen,
und von einem fremden, lähmenden Schmerz im Magen. Die Stimmen gehörten zu
meiner Schwester und dem Wesen und hatten einen eindeutig romantischem Klang,
doch war ich unfähig, mich zu erheben und einzuschreiten. »Genug«, rief ich
matt, doch meine Stimme versagte, und alles drehte sich, während ich kraftlos
und schweißgebadet dalag. Auf dem Bildschirm in der Ecke bewegten sich stumme
Menschen in einer Art provisorischem Zeltlager - tausende und abertausende von
weinenden und wehklagenden Menschen. In einem bei Übelkeit bisweilen
auftretenden Augenblick von äußerster Klarheit nahm ich wahr, dass mein
Cocktailglas nicht mehr auf dem Tisch stand. Mrs P war wieder da! Mit letzter
Kraft zog ich an der Klingelschnur, von weither hörte ich das Bimmeln
widerhallen, und dann wurde ich bewusstlos.
    Als ich
wieder zu mir kam, lag ich in meinem Bett. Ich war ausgedörrt, der Schmerz wütete
in meinen Eingeweiden. Die kleine Nachttischlampe beleuchtete zwei besorgte
Gesichter, das meiner Schwester und das von Mrs P. Im Blick von Letzterer, so
mein Eindruck, lag ein Hauch von Schuldbewusstsein; zweifellos war ihr klar,
dass es im Grunde ihre Fahrlässigkeit gewesen war, die mich dazu getrieben
hatte, mich zu vergiften. Ein drittes Gesicht, tumb und abwesend, gehörte zu
Frank. Bel biss sich auf die Lippen, legte mir die Hand auf die Schulter und
fragte, ob alles in Ordnung sei.
    »Bohnen«,
krächzte ich.
    »Was?«,
sagte sie.
    »Ich
glaube, er hat viele weiße Bohnen gegessen«, sagte Mrs P schaudernd. »Viele
Bohnen, nicht gekocht.«
    »Bohnen«,
heulte ich wie von Sinnen.
    »Um
Himmels
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