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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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dieses Verhalten ganz selbstverständlich als liebend, fürsorglich und selbstlos vorausgesetzt wird.
    Zur Frage, wann und wie Mutterliebe entsteht, gab es in den 1970er Jahren eine populäre psychologische Theorie, die «Bonding»-Theorie. Danach ist eine kurz andauernde «sensible Phase» nach der Geburt, in der Mutter und Kind grundlegend aufeinander «geprägt» werden, entscheidend für die Qualität der späteren Mutter-Kind-Beziehung und auch für die weitere seelische und mentale Entwicklung des Kindes. Die Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht dieser Theorie zufolge unmittelbar nach der Geburt oder eben nicht oder ist erschwert, dann nämlich, wenn Mutter und Kind direkt nach der Geburt voneinander getrennt werden. Die Bonding-Theorie führte in der Folge zu zweifellos verdienstvollen Errungenschaft en, wie zum Beispiel dem «Rooming-in» in Geburtskliniken. Sie greift aber sicher zu kurz, um die Entstehung und Entwicklung von Mutterliebe in all ihrer Komplexität hinreichend zu erklären. Angesichts der Existenz liebender und fürsorglicher Adoptiv-, Pflege- und Stiefmütter einerseits und der offenkundigen Existenz weniger liebender und fürsorglicher leiblicher Mütter andererseits wurde sie dann auch von ihren Schöpfern selbst relativiert. In jüngster Zeit lebt sie aber in anderer Form wieder auf, nachdem die medizinische Forschung ein Hormon namens Oxytocin entdeckte, das während und kurz nach einer Geburt ausgeschüttet wird und, zumindest bei Ratten, automatisch ein mütterliches Fürsorgeverhalten auslöst. Ob aber mit dieser Entdeckung wirklich «Mutterliebe – Das stärkste Gefühl entschlüsselt» wurde, wie das Magazin
Der Spiegel
in seiner Ausgabe vom 14.5.06 titelte, darf bezweifelt werden. Aber wie das «Bonding» ist sicher auch die Ausschüttung vom «Fürsorge-Hormon» Oxytocin ein aufschlussreicher theoretischer Mosaikstein im komplexen Puzzle-Bild der Mutterliebe.
    Die Art von Bindung und Verbundenheit, die auch dauerhaft zu liebevollem Gefühl und fürsorglichem Verhalten führt, ist aber offensichtlich von komplexerer Qualität. Mütterliche Liebe zeigt sich dabei in einer bestimmten Haltung und Einstellung dem Kind gegenüber, die eben nicht zwangsläufig mit einer biologischen Mutterschaft verknüpft ist. Es geht vielmehr um ein bestimmtes, grundsätzlich auch nicht geschlechtsspezifisches Gefühls- und Verhaltenspotenzial von Menschen. Frauen haben bereits vor der Geburt eines Kindes eine bestimmte Haltung ihm gegenüber, empfinden mehr oder weniger Mutterliebe. Ihre Einstellung zur Mutterschaft und zum Kind ist, je nachdem, eher positiv, ambivalent oder negativ. Schon vor der Geburt gibt es Faktoren, die einen bedeutenden Einfluss auf die Qualität der späteren Mutter-Kind-Beziehung haben. Es sind vor allem die Motive und Erwartungen, die mit dem Kinderwunsch verknüpft sind, und zunächst einmal der höchst wichtige Faktor, ob ein Kind wirklich gewünscht und gewollt wird, inklusive der Bereitschaft, es aufzuziehen.
    Zusammenfassend können wir derzeitige psychologische Erkenntnisse über die Voraussetzungen und Bausteine der Entwicklung der Mutterliebe in verschiedene Phasen unterscheiden.
    Die Phase der Entscheidung zum Kind
    Die erste und wohl wichtigste Voraussetzung der Entstehung von mütterlicher Liebe ist eine freie, das heißt selbstbestimmte und eine bejahende Entscheidung dafür, ein Kind zu bekommen, begleitet von der positiven Bereitschaft, es großzuziehen. Das klingt im Zeitalter der problemlosen Empfängnisverhütung und der «Wunschkinder» klarer und selbstverständlicher, als es in der Realität vielleicht manchmal wirklich ist. Nach wie vor, und in letzter Zeit wieder verstärkt, ist der gesellschaft liche und psychologische Erwartungsdruck an Frauen, Kinder zu bekommen, groß und auch die Mutterschaft wird wieder ausdrücklich und nachhaltig als weibliche Lebenserfüllung gefeiert.
    Keine Kinder zu bekommen ist irgendwie «nicht normal» und zieht ab einem gewissen Alter auch heute noch einen Rechtfertigungsdruck nach sich, was bei einem Kinderwunsch selten der Fall ist. Ganz negativ wird es aufgenommen, wenn Frauen zu äußern wagen, dass sie keine Kinder wollen, weil sie andere Dinge im Leben, ihren Beruf, ihre Beziehung, interessanter oder wichtiger finden oder weil sie die Belastung scheuen. Die kinderlose Frau gilt heute nicht mehr als Wesen, das «keinen abgekriegt» hat, sondern man unterstellt ihr eher den Charakter einer egoistischen,
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