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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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bedingungslos, die Qualität der Liebe des Vaters hingegen bedingt und mit bestimmten Erwartungen an das Kind verknüpft ist. In der Realität zeigt sich aber, dass diese beiden «Liebeshaltungen» durchaus nicht so eindeutig mit der Geschlechtszugehörigkeit verbunden sind. Viele Menschen, speziell Töchter, schildern die Erfahrung, dass die Mutter sie wohl stets korrekt versorgt habe und zu Hause auch immer präsent war, dass es jedoch der Vater war, von dem sie sich geliebt, geschützt und unterstützt gefühlt hätten oder mütterlich versorgt worden seien.
    Manchmal müssen Kinder auch die Erfahrung machen, dass die Mutterliebe gänzlich fehlt, einfach nicht vorhanden ist. Im Unterschied zur bedingten Liebe hat das Kind in diesem Fall überhaupt keine Chance, sie zu erwerben oder zu erzeugen, egal, wie es sich verhält und was es tut. Kinder brauchen für ihre Entwicklung die Erfahrung von Schutz und Fürsorge, das Erleben von Zuwendung und seelischer Wärme, Anerkennung und Entfaltungsmöglichkeiten – all das ist nicht zwangsläufig und schon gar nicht ausschließlich mit einer leiblichen Mutterschaft verknüpft. Die Fähigkeit zur Mütterlichkeit scheint eher eine Gabe zu sein, die Menschen beiderlei Geschlechts haben können oder auch nicht. Eine Kinderärztin erzählt aus ihrer Praxis: «Eine Menge Leute, und dazu gehören auch Männer, kümmern sich gern um kleine, abhängige Wesen. In meiner klinischen Praxis bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass das, was gemeinhin ‹Mutterinstinkt› genannt wird, einfach die Freude daran ist, sich kleinerer Wesen sorgend anzunehmen. Manchen Menschen, Frauen wie Männern, liegt dies überhaupt nicht.» (Friday 1982, S. 31)
    Wir schlussfolgern also einstweilen:
    •  Mutterliebe stellt sich nicht einfach automatisch infolge der biologischen Mutterschaft ein. Nicht jede leibliche Mutter empfindet mütterliche Liebe und/oder das Bedürfnis zu fürsorglichem Verhalten für ihr Kind oder hat das Talent dazu.
    •  Mutterliebe kann, je nach Umständen, vorhanden sein oder auch nicht, sie kann stark sein oder schwach entwickelt, sie kann auft reten und wieder verschwinden.
    •  Um auf mütterliche Weise zu lieben, um pfleglich, sorgsam, behütend und förderlich zu sein, braucht man nicht die biologische Mutter und noch nicht einmal weiblich zu sein. Mütterliche Liebe ist auch nicht zwangsläufig auf eine einzige Person beschränkt.

2   Vom Mythos der Mutter und von Müttern ohne Liebe
    Es sind machtvolle, häufig gar nicht so bewusste Bilder und Vorstellungen der Mutterliebe, die tief in uns wirken. Sie wird als selbstlos, opferbereit und als «reine» Liebe in dem Sinne aufgefasst, dass sie nicht «getrübt» ist von egoistischen Interessen der Mutter, von Zweifeln, Widersprüchen oder gar ablehnenden Gefühlen und Regungen. Im Licht des Muttermythos scheint es auch selbstverständlich, dass Mütter jedes ihrer Kinder gleich lieben und vor allem, dass alle «normalen» Frauen ihre Kinder lieben. Mutterl iebe wird als unerschöpfliche Quelle von Unterstützung, Zuwendung und selbstloser Fürsorge betrachtet, als eine Quelle, die andere unendlich nähren kann, ohne selbst genährt werden zu müssen.
    Auf ein menschliches Maß heruntergeschraubt erkennen wir unschwer, dass es sich dabei nicht um realistische Vorgaben handeln kann, von denen wir erwarten können, dass ein menschliches Wesen sie erfüllt. Solche überhöhten und verklärenden Vorstellungen verweisen eher auf transpersonale, die Ebene der individuellen menschlichen Perspektive übersteigenden Bilder. Genauer gesagt, verweisen sie auf unser zentrales Kultsymbol für die Mutter-Kind-Beziehung: die Madonna mit dem Jesuskind. Sie ist unser aller Mutter-Modell und repräsentiert das Ideal der selbstlosen, reinen und unendlichen Zuwendung und Fürsorge. Das Problem besteht nun darin, dass sich hier Ideal und Realität auf diffuse Art vermischen, dass aber das überhöhte Bild der Mutter als erstrebenswerte und irgendwie auch realisierbare Identität in uns verankert ist.
    Aufgegriffen und ironisch gebrochen wird die romantisierte Vorstellung der Mutter Maria in einem Gemälde des Künstlers Max Ernst. Es trägt den Titel «Die Heilige Jungfrau züchtigt das Jesuskind» vor drei Zeugen». Sie sehen es auf dem Umschlag dieses Buches dargestellt. Max Ernst malte dieses Bild 1926 und es war damals ein Skandal. Solche Erziehungshandlungen passen damals wie heute nicht in unser Bild von der Mutter Maria und
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