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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe
Autoren: Gaby Gschwend
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viele Konflikte auszutragen lernten, ohne uns voneinander abzuschließen, so war es diese frühe körperliche Beziehung zwischen uns, die dafür die Grundlage legte. (Spielhofer 1985, S. 31)
    Diese starke, elementare Bindung und Beziehung zum Kind in der Zeit nach der Geburt ist aber auch anderen Menschen möglich als der leiblichen Mutter, während es mancher leiblichen Mutter nicht möglich ist, diese Art lustvoller Verbundenheit zu empfinden. Denn auch hier sind unterschiedliche Bindungsqualitäten möglich. Im angeführten Zitat kommt eine positive primäre Bindung zum Ausdruck und auch, wie wichtig diese als Grundlage für eine geglückte sekundäre Bindung ist. Umgekehrt erschwert eine ambivalente, vermeidende oder negative primäre Bindung eine spätere positive Beziehung zum Kind. Schon die ersten Beziehungen zwischen der Mutter und dem Neugeborenen fallen also durchaus unterschiedlich aus. Dem Säugling scheint es zunächst ziemlich egal zu sein, wer ihn «bemuttert», ihn hält, wärmt, nährt, anlächelt, versorgt – ob Mutter, Vater oder eine andere Person. Sein Strahlen, sein Wohlgefühl, seine Befriedigung sind zunächst noch nicht selektiv geprägt. Er entwickelt aber dann zu den Menschen, die sich um ihn kümmern, eine enge Bindung. Und weil ein Kleinkind konstante und verlässliche Beziehungen braucht, um ein emotionales Sicherheitsgefühl zu entwickeln, wirken sich frühe Trennungen von nächsten Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren negativ aus.
    Die sekundäre Bindung
    Im Stadium der sekundären Bindung geht es darum, ob sich eine langfristige und tragfähige positive seelische Bindung zum Kind herstellt oder nicht. Die (Qualität der) Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht durch die gemeinsamen Erfahrungen im Lebensalltag. Diese Art von Liebe und Bindung ist nicht mehr primär instinktgesteuert. Sie gilt einem eigenständigen Wesen mit eigenem Charakter und eigenen Bedürfnissen. Gemeint ist eine seelische und soziale Mütterlichkeit, die liebevolle Einfühlung und ein fürsorgliches Verhalten dem Kind gegenüber umfasst. Sie wird möglich, wenn man die Existenz des Kindes, dieses speziellen Kindes bejaht, sich daran freut, gerne, wenn auch nicht ständig mit ihm zusammen ist und es mit Interesse an seiner Entwicklung begleitet, einer Entwicklung, die zunehmend in Richtung Ablösung geht und die auch Konflikte integrieren muss.
    Es gibt nun Frauen, und es gibt sie seit jeher, die zwar die Schwangerschaft und die Säuglingsphase sehr genießen, die aber dem Kind, je mehr es sich zu einem eigenständigen Wesen entwickelt, eher desinteressiert oder sogar ablehnend gegenüberstehen. «Schwanger wäre ich gerne noch mal, aber da dürfte nichts bei rauskommen», erklärte eine Mutter in einem therapeutischen Gespräch und ähnlich ehrlich äußert sich schon 1846 eine Frau in einem Brief an ihre Freundin, indem sie erklärt, mit Säuglingen könne sie noch herzlich umgehen, sobald sie aber «erzogen werden» müssten, würden ihr Kinder «unbehaglich» (nach Grisebach 1995, S. 234). Ganz anders empfinden wiederum andere Mütter: «Säuglinge und kleine Kinder reizen mich überhaupt nicht. Ich hätte gerne mein Kind so ab drei Jahren gehabt.» (Zit. n. Leyrer 1986, S. 116)
    Wir sehen: Mutterliebe besteht und entwickelt sich nicht universellen Gesetzen folgend bei allen Müttern gleich. Schon vor der Geburt, während der Säuglingszeit, in der Kleinkindphase – in jedem Stadium gibt es mögliche «Bruchstellen» und ganz individuelle Ausprägungen der Mutterliebe, die sich auf die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung auswirken.
    1.2.2  Mütterliche Liebe
    Ein erstes Gefühl für seine Existenz bekommt der Säugling durch die reagierenden Gesten und Ausdrücke der ersten Bezugspersonen. Ihren Signalen, ihrer Ausstrahlung und ihrem Verhalten entnimmt er das Gefühl, bejaht und ihnen willkommen zu sein oder eben nicht. Im Laufe der Zeit entwickelt das Kind auch zunehmend ein deutliches Empfinden dafür, ob es als die spezielle und individuelle Person bejaht wird, die es ist, und erfährt, ob es auch dann geliebt wird, wenn es bestimmten Erwartungen nicht entspricht. Auf diese Weise lernt es vielleicht, dass mit der Liebe bestimmte Bedingungen verknüpft sein können. Dann wird es sich bemühen, diesen Erwartungen zu entsprechen.
    Ältere psychologische Theorien postulierten unter dem Einfluss des Muttermythos, dass die Qualität der Liebe der Mutter zum Kind stets und aus sich heraus
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