Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mürrische Monster

Mürrische Monster

Titel: Mürrische Monster
Autoren: Royce Buckingham
Vom Netzwerk:
dutzenden Stellen, und er fragte sich, ob ihm die Dornen gleich die Halsschlagader aufreißen würden.
    Sandy nickte. Sie besaß wirklich zwei Hände, im Moment jedenfalls noch.
    «Dann nimm das verdammte Ding weg«, keuchte Richie. »Ich bin hier am Abnippeln!«
    Sandy packte das Schwert und spürte den Knauf in ihrer Handfläche. Die Waffe kam augenblicklich zur Ruhe. Sandy richtete sich auf und stand mit hocherhobenem Schwert über den Brombeersträuchern wie eine bebrillte Amazone.
    »Hiiiii-jaaahh!«, brüllte sie, wirbelte herum und kappte mehrere Zweige auf einmal. Mit jedem neuerlichen Schwertstreich fiel ein weiterer Trieb, und bald war der ganze Strauch niedergemäht.
    »Gib mir die Hand, Richie!«
    Er streckte den Arm aus, und sie zerrte so heftig daran, dass Richie schmerzerfüllt aufschrie. Dann zog sie ihn langsam aus dem Dornengestrüpp heraus.
    »Tut mir leid! Tut mir leid!«, sagte sie »Alles in Ordnung?«
    Blutend schaute er zu ihr auf. »Hiii-jah?«, grinste er.
    »Was hätte ich denn sonst sagen sollen?«
    »Keine Ahnung. En garde? Touché? Koste meine Klinge, du ausgeflippter Dämonenstrauch? Alles außer ›hiii-jah‹.«
    Sandy half ihm auf. »Ich habe von dem Schwert gelesen«, sagte sie. »Es ist die Inkarnation des Chaos mittelalterlicher Kriege, bei denen es oft keine Ordnung und Logik gab, wenn es darum ging, wer getroffen wurde oder wer starb. In der Hitze des Gefechts schlägt diese Waffe willkürlich zu.«
    »Bei dir scheint sie aber Ruhe zu geben.«
    »Weil ich ein durch und durch friedfertiger Mensch bin.«
    Nun traten Nik und Pernikus zu ihnen, und Richie beobachtete, wie sich die gelben Tupfer an den Leibern der kleinen Dämonen auflösten, bis die beiden wieder in ihren angestammten Farben dastanden. Von der Veranda her ertönte ein Pfiff, und alle wandten sich um.
    Zoot stand auf der obersten Stufe. Sein Dreizack war auf Nik und Pernikus gerichtet, und er spitzte den Mund, um so laut wie möglich pfeifen zu können. Als der Ton verklang, sah er erschöpft und verzweifelt aus und winkte die anderen eilig zum Haus.

26. Kapitel
    Exodus
    Nate stürmte auf den Dachboden und schlug die Metalltür hinter sich zu. »Der Abstellraum«, japste er.
    In den Abstellräumen gewöhnlicher Häuser sammelte sich über die Jahre hinweg alles mögliche Gerümpel an, in Nates Fall aber waren es Jahrhunderte, und das Gerümpel war dämonischer Natur. Der Dachboden war vollgestopft mit tausenden von chaotischen Wesen – bizarren Gegenständen, Luftzügen, Geräuschen, Gerüchen, Erscheinungen, körperlichen Manifestationen, lebenden Pflanzen und hoch aufgetürmten Kartons, in denen jeder nur erdenkliche dämonische Krimskrams lagerte. Nate verbarrikadierte die Tür mit der schweren Eisenstange und trat leise in die Dachkammer – es war besser, die Wesen nicht aufzuschrecken.
    Einige duckten sich. Andere wirbelten herum und starrten Nate an. Wieder andere plapperten albernes Zeug. Aber sie erkannten ihn alle als Hüter. Einige von ihnen lagen im Sterben, die ganz alten, deren Chaos allmählich versiegte. Sie besaßen nicht mehr die Kraft, ihn zu ärgern. Und vor dem Dämonenfresser fliehen konnten sie erst recht nicht mehr, dachte Nate.
    Die Sachen waren so hoch aufgetürmt, dass Nate sich zwischen den aufgereihten Gerätschaften durch enge Gassen zwängen musste; einige Gegenstände regten sich, andere lagen apathisch da. Nate stieß gegen einen Karton, und hunderte kleiner Schleimwesen ergossen sich über den Boden. Flugs ballten sie sich zu einem einzigen Geschöpf zusammen, das, genährt von der kollektiven Unruhe, zum Dachbalken hinaufschnellte, wo es mit dem Holz und den Schatten verschmolz und sofort wieder einschlief.
    Nate eilte weiter und bahnte sich einen Weg zu dem drei Meter breiten Panoramafenster auf der Vorderseite des Hauses. Dort blieb er stehen und starrte auf Seattle hinab. Er hatte seine Entscheidung schon getroffen und sagte mit einer Mischung aus Bedauern und Hoffnung zu seinen Schutzbefohlenen: »Es ist eine große schlimme Welt dort draußen, und es wird niemanden geben, der euch in Sicherheit bringt. Ich werde euch nicht belügen. Einige von euch werden umkommen. Aber ich kann euch hier nicht mehr beschützen.« Er nickte, als müsste er sich noch immer selbst überzeugen, dass er das Richtige tat. »Ich bitte euch nur, es den Menschen nicht allzu schwer zu machen. Sie sind eigentlich ganz in Ordnung. Sie verstehen euch nur nicht, aber es kann für euch einen Platz unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher