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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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hatte ich Lilo angerufen und ihr gesagt, dass nun am Wochenende meine Einladung fällig würde. Mit Emma hatte ich gleich nach meiner Rückkehr alles besprochen. Ich würde also wie der große Pimp persönlich mit zwei attraktiven Frauen anrücken. Fehlten mir nur noch der bodenlange Pelz und der Brillantengrill in der Schnauze.
    Ich gönnte mir ein ausführliches Frühstück und eine ausgiebige Regenerationsrunde in der Badewanne. Nachdem Emma für schwere Düfte nicht zu begeistern gewesen war, rieb ich mich mit Zitronenöl ein und setzte ansonsten ganz auf meine einnehmenden hormonellen Eigenanteile. Ein gut rasierter, schmucker und rosiger Mensch ohne jede Blessur guckte mich aus dem Spiegel an. Ich wusste ja, was heute Abend anstand. Wahrscheinlich würden sie sich durch die Bank in ihre alten Jeanskutten und Holzfällerhemden zwängen. Damit wenigstens einer auf Kontrapunkt arbeitete, zog ich eine dunkelgraue Baumwollhose und einen schwarzenRollkragenpullover an. Wäre nicht die Lederjacke gewesen, hätte ich als Kreativer in jeder Agentur anheuern können.
    Auch die beiden Frauen präsentierten sich im Bestzustand, dazu in aufgeräumter Stimmung, sodass eine gut gelaunte Gruppe nach Unterastbach fuhr. Hinnerk hatte wieder einmal einen leckeren Kuchen gebacken, und so saßen wir bei Kaffee, Schnaps und Likör zusammen.
    Julius hatte sich noch nicht blicken lassen, er sei schweinemäßig nervös, sagte Hinnerk. Als ich ihn in seinem neuen Bürozimmer aufsuchte, saß er auf der Couch und zupfte Gitarre. Er merkte überhaupt nicht, dass ich den Raum betreten hatte. Die Last der abendlichen Veranstaltung lag zentnerschwer auf ihm, er guckte mich mit leidenszerfurchter Miene an.
    – Steh mal auf, sagte ich.
    Mechanisch gehorchte er. Ich reichte ihm die Hand.
    – Herzlichen Glückwunsch zum alten neuen Büro.
    Mit diesen Worten steckte ich ihm das Hirschböck-Schreiben zu. Fassungs- und verständnislos starrte er mich an.
    – Deine Verbannung ist aufgehoben. Bald darfst du wieder zurück in dein Büro.
    Jetzt endlich begriff er, war aber in seinem nervlich zerrütteten Zustand zu keiner wirklichen Gefühlsregung fähig und umarmte mich fahrig. Ich wünschte ihm noch alles Gute und ging wieder zu meiner fröhlichen Gesellschaft zurück.

52
    Es waren durchweg reifere Semester, die abends beim Wirt hereinstrudelten. Den Bulldog hatten sie zwar in der Garage gelassen, aber mit ihren kurz geschorenen, fleischigen Köpfen hielten sie die Erinnerung an solche Tiere dennoch wach. Man sammelte sich zunächst in der Gaststube, wo wir uns ein Abendessen nach Gutsherrenart gönnten.
    Der Wirt hatte auf Bio umgesattelt, was niemanden weiter störte, solange das Fleisch in den gewohnt großen Fransen auf die Teller kam. Man ließ die Bügelflaschen mit naturtrübem Bier aufschnalzen, und die Unterhaltung schwoll zu dem bei uns üblichen Lärmpegel an. Jeder schreit, wie er kann, haut auf den Tisch und lacht je nach Witz wiehernd wie der Gaul im Stall oder schmetternd wie eine Posaune vor Jericho. Zu dem, was hier Gemütlichkeit genannt wird, gehört wesentlich, dass jeder akustisch voll aus sich herausgehen kann. Auch deshalb hat man richtige Bierburgen gerne mit Gewölben ausgestattet: Ein jeder fühlt sich an das Kloster, die gottgeschenkte Herkunft dieser ganzen Sauferei, erinnert, und ein halbwegs besetzter Stammtisch mit schreienden Burschen füllt dank der Verstärkertechnik dieser Deckenkonstruktion einen ganzen Saal aus. Da weiß jeder sofort, dass herinnen eine Riesengaudi am Laufen ist. Und niemand will fehlen.
    Wenn ich die Leute rundherum so musterte, war mir aber doch ein wenig bänglich zumute wegen Julius’ Auftritt. Gegen solche Holzköpfe musste man ja erst mal anspielen können. Was tun, wenn Julius schon nach dem dritten derben Zwischenruf zu heulen anfing? Mich mit dem ganzen Saal herumzuprügeln, das konnte auch er nicht von mir erwarten.
    Neben der Gaststube war ein Veranstaltungsraum, in dem normalerweise Theater und Kabarett stattfanden. Ich bezahlte den Eintritt für uns alle. Sicherheitshalber, wenn es schiefging, musste man wenigstens kein schlechtes Gewissen haben. Nach und nach füllte sich der Raum, und die Bedienungen sorgten dafür, dass jeder die gewünschte Bügelflasche in die Hand bekam. Die Bühne war spartanisch ausgerüstet, ein paar alte Marshall-Verstärker, die aus dem Fundus von Onkel Tom stammten, und ein Schlagzeug, das schon bessere Tage gesehen hatte.
    Ich ging pinkeln. Als es
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