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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei
Autoren: Burkhard Spinnen
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meine Mutter nicht lachen wollte.
    Allerdings war Tante Elke meine einzige Verwandte. Jedenfalls die einzig erreichbare. Weder mein Vater noch meine Mutter haben Geschwister, und meine Großeltern wohnen erstens sehr weit weg und sind zweitens sehr aktive Menschen. Meistens befinden sie sich auf ausgedehnten Gruppenreisen in irgendwelche Wüsten oder Dschungel. Wir besuchen sie so selten, dass ich jedes Mal Bilder von ihnen mitnehme, damit ich sie wiedererkenne. Leider ist es trotzdem schon mehrfach geschehen, dass ich aus Versehen wildfremden Menschen mit dem Ausruf »Hallo, liebe Omi« oder »Hallo, lieber Opi« in die Arme gefallen bin.
    Ich wusste natürlich nicht, ob sich Tante Elke freiwillig für mich verantwortlich fühlen würde. Oder konnte man sie polizeilich zwingen, sich um mich zu kümmern? Und konnte ich das überhaupt wollen? Wenigstens, so dachte ich, würde sie mir etwas Geld leihen können. Wenn ich den Schatz im Haus entdeckt hätte, könnte ich es ihr ja zurückzahlen. Ich suchte und fand ihre neue Adresse im Telefonbuch: Grimmstraße Nummer 1.
    Tante Elke konnte vielleicht noch ein weiteres meiner Probleme lösen. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte sie beruflich mit Tieren zu tun. Also könnte sie mir womöglich auch ein paar Tipps geben, was zu tun war, um den mir anvertrauten Allesfresser und Flurbekacker in einen liebenswerten, höflichen und vor allem absolut stubenreinen Haushund zu verwandeln.
    Geplant, getan. Ich band Piet Montag ein Stück Wäscheleine um den Hals, verstaute meinen letzten Zehneuroschein sicher im Portemonnaie und trat vor die Haustür. Den Zettel auf dem Briefkasten, auf dem wahrscheinlich stand, dass ich mich nicht um die Post kümmern sollte, weil meine Eltern sich nicht nur von mir, sondern auch von allen Rechnungen, Mahnungen, zweiten Mahnungen und letzten Mahnungen getrennt hatten, übersah ich geflissentlich. Oder, ehrlich gesagt, ich hatte keine Gelegenheit, ihn zu lesen, denn ich musste mich um den widerstrebenden Hund am Ende der Wäscheleine kümmern.
    Als ich in Höhe des Vorgartentores erstmals aufschaute, stand nebenan unsere Nachbarin Frau Glossbach in der Tür. Sie winkte mich wieder heran, also schaute ich verbissen in die andere Richtung und zog Piet Montag zur Bushaltestelle.
    Das klingt nun allerdings leichter, als es war, denn der Hund schien eine starke Abneigung gegen das Gehen an der Leine zu haben. Statt freudig neben mir her zu laufen wie die lustigen Hunde in der Hundefutterwerbung, bremste er, so gut er konnte. Zuerst bremste er mit seinem Po, indem er sich einfach hinsetzte. In dieser Stellung konnte ich ihn noch hinter mir herschleifen. Dann aber bremste er mit dem Bauch, indem er sich hinlegte und die Beine zur Seite abspreizte, was ein Schleifen fast unmöglich machte.
    Schließlich beschloss er, mit dem Rücken zu bremsen, und warf sich ganz herum. Jetzt ging das Schleifen zwar wieder leichter, die Pfoten hatten wohl griffiger gebremst als der Rücken. Doch nun schnürte ihm die Wäscheleine die Luft zum Atmen ab, und er produzierte unerfreuliche Geräusche. Ob ich die ertragen konnte, probierte ich erst gar nicht aus, denn mittlerweile wurde ich von den bösen Blicken der Passanten tausendfach durchbohrt.
    Zugegeben, gut sah das sicher nicht aus, wie hier ein genervter Beinahe-Vierzehnjähriger einen röchelnden Junghund hinter sich herschleifte. Aber das war ja kein Hobby, das ich mir ausgesucht hatte, um meine Freizeit sinnvoll zu füllen. In diese Situation hatten mich einzig und allein meine fahnenflüchtigen Eltern gebracht!
    Allerdings konnte ich den Böse-Blicke-Absendern unmöglich quer über die Straße zurufen, dass ich das momentan schlechtestmöglich behandelte Trennungskind von ganz Neustadt war, ein Opfer des Freiheits- oder Selbstverwirklichungstriebs seiner eigenen Eltern. Dafür war der Sachverhalt einfach zu kompliziert und die Straße zu laut. Ich nahm deshalb Piet Montag auf den Arm und wollte ihn zur Bushaltestelle tragen, aber er antwortete mit einem Hundetrick und verdoppelte sein Gewicht. Es fühlte sich an, als würden meine Arme aus den Gelenken brechen.
    So blieb mir nichts anderes übrig, als den Hund wie einen Sack über meine Schulter zu werfen. Diese Lage schien ihm zu gefallen, und den ganzen Weg zur Bushaltestelle wedelte er mir seinen Schwanz wie einen Scheibenwischer übers Gesicht. Als ich mich endlich auf die kleine Bank im Wartehäuschen setzen konnte, war ich völlig erschöpft. Außer mir
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