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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei
Autoren: Burkhard Spinnen
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fällt mir Dumpfbacke eben nur selten etwas anderes ein, als die Wahrheit zu sagen.
    »Unsere reizende Elke? Wie wunderbar! Da komme ich gleich mit.«
    Woran ich sie nun wirklich nicht hindern konnte.

Tante Elke
    V on der Haltestelle Wielandplatz ist es nicht sehr weit bis zur Grimmstraße, aber Piet Montag machte da weiter, wo er auf dem Bürgersteig vor unserem Haus aufgehört hatte: Er testete, wie man am besten nicht an der Leine geht. Da er alle Formen von Bremsen und Schleifenlassen schon durchhatte, probierte er jetzt etwas Neues. Er winselte. Das heißt, zuerst winselte er, und dann schrie er. Ich wusste nicht, dass junge Hunde schreien können, und ich wusste auch nicht, dass es sich anhört, als würde man sie foltern. Ich erfuhr es aber sehr schnell, denn freundliche Passanten identifizierten umgehend mich als den Folterer und erklärten mir unaufgefordert, wen sie gleich benachrichtigen und was diese Leute dann mit mir machen würden.
    Und es gab noch ein weiteres Problem, das mich nicht so recht von der Stelle kommen ließ. Das Problem hieß Paula Rosa, meine wiedergefundene siamesische Zwillingsschwester. Die informierte nämlich sofort die aufgebrachten Passanten darüber, dass ihr Bruder sich gerade in einer schweren psychischen Krise befinde und dass man ihm daher verzeihen müsse, wenn er kleine Hunde foltere.
    So bildete sich allmählich ein Kreis Interessierter um uns, dem Paula schließlich auch das vermeintliche Trennungsmal auf ihrem Oberarm erklärte. »Ach, wie ergreifend!«, sagte eine ältere Dame. Hätte ich über die entsprechenden Geräte verfügt, ich hätte mich ans Ende der Welt teleportieren lassen.
    Ich besaß aber keinen Teleporter, sondern nur einen Hund an der Wäscheleine. Der allerdings hörte plötzlich auf zu jammern, reckte seine knubblige Nase in die Luft und schnupperte hörbar. Dann rannte er los, so schnell, dass ich, die Wäscheleine ums Handgelenk gebunden, beinahe der Länge nach hingefallen wäre. Und was ich nicht konnte, das konnte er, nämlich das Lebewesen am anderen Ende der Leine hinter sich herziehen.
    Wir rannten, als gäbe es irgendwo etwas umsonst. Paulas Stimme hinter uns wurde schnell leiser. Doch bevor ich darüber nachdenken konnte, wohin die wilde Jagd ging, bremste Piet Montag schon wieder ab. Um nicht auf ihn zu treten, wollte ich einen eleganten Sprung machen, da kam mir die Leine zwischen die Beine, und ich fiel auf meinen Hintern.
    Nun war es an mir zu jammern, wobei mich Piet Montag vorwurfsvoll ansah. Mühsam rappelte ich mich hoch, und schau an: Wir standen vor dem Haus Grimmstraße 1. Es war ein Eckhaus, und genau auf der Ecke führte eine Glastür in ein Café. Es war keines der ganz modernen Cafés, die sich gerne Club nennen, aber auch keines von den ganz alten, in dem sich anonyme Selbsthilfegruppen von Kirschkuchenabhängigen treffen und wo die Servietten künstlerische Lochmuster haben. Gut möglich, dass meine Eltern hier als Teenager verkehrt hatten. Dunkel erinnerte ich mich, dass wir hier schon einmal vorbeigekommen waren und sie mich durch Schilderungen aus der Zeit ihrer ersten Liebe schockiert hatten. Ich suchte nach einem Privateingang zu dem Haus, fand aber keinen.
    Derweil bemühte sich Piet Montag nach Kräften, mit seiner Nase die Tür zum Café zu öffnen. Es schien, als zöge etwas sehr Attraktives ihn dorthin. Ich half ihm; ein paar Glöckchen klingelten, als wäre Weihnachten, und wir standen in einem mittelgroßen, eher schlauchförmigen Raum. Außer uns standen hier noch sieben kleine runde Tische mit je vier wackligen Stühlen, alle aus verchromten Röhren und Plexiglas. Die Tapeten hatten wilde Muster in Braun und Orange, die ich nicht zu lange ansehen durfte, damit mir nicht schwindelig wurde. Der Boden war ebenfalls braun und glänzte wie eine Speckschwarte.
    Den Abschluss des Raumes bildete eine verchromte Theke mit gläserner Front und drei gläsernen Böden dahinter, auf denen eine ganze Menge Nichts nett arrangiert war. Zu alldem passte ganz gut, dass niemand da war. Ich fand es trostlos und langweilig hier, Piet Montag aber lief aufgeregt schnüffelnd zwischen den Tischen hin und her.
    Eine Weile stand ich stocksteif da, wieder mal mit nichts als Grübeln beschäftigt. Endlich sagte ich in mittlerer Lautstärke: »Hallo, Tante Elke? Ich bin’s, Paul, der Sohn deiner Cousine Birgit.« Kaum war es heraus, schämte ich mich. Es hatte geklungen wie ein Text, den man vierzehn Tage lang für ein doofes
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