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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd
Autoren: Michele Mari
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man nicht gleich von einem Tag auf den anderen schwachsinnig … Die Wahrheit ist doch, dass die anderen dachten, sie hätten die sagenumwobene goldene Eier legende Henne gefunden. Ständig wollten sie noch mehr, Syd, schreib dies, Syd, schreib das, und ohne zu murren, hat er ihre Wünsche erfüllt, Stücke, für die andere zehn Tage gebraucht hätten, hat er in drei Stunden abgeliefert, mach was in Richtung Science-Fiction, und er machte, jetzt etwas Psychedelisches, schwups, fertig! Etwas surrealen Spott, etwas kosmischen Irrsinn, hopp, hopp! Er komponierte mehr Songs, als sie aufnehmen und live spielen konnten, jahrelang zehrten sie von dem Material … Sie setzten einfach ihre Unterschrift drunter, und fertig, ihn interessierte ohnehin nichts mehr, er war für immer in einen Brunnen ohne Grund gefallen, ja, aber weil sie ihn da hineingeschubst hatten … Sie waren viel zu jung und für Erfolge wie Arnold Layne und See Emily play nicht reif genug, deshalb machten sie
ihm Druck, sofort den nächsten Erfolgstitel zu produzieren, gaben ihm aber dann die Schuld, als diese eine Single, Apples and oranges, kein so großer Hit wurde wie die ersten beiden, und sahen ihn auch noch schief an … Da war Schluss mit den Singles, diesem ständigen hopp, hopp und ganzen Alben in nur einem Monat! THE PIPER war wirklich ein Wunderwerk, aber meint ihr, sie hätten sich mal zufriedengegeben? In dieser Zeit hatte Syd ein Lied komponiert, das bereits im Titel auf sein Unbehagen anspielt, Vegetable man : Traktieren ihn die anderen wirklich wie ein schwaches Pflänzchen? Sie sind doch die Avantgarde der experimentellen Musik, Quelle sprudelnder Ideen, der Name Pink Floyd musste mit Intelligenz, Geist und sprühenden Funken verbunden werden! Syd, der geistreicher als alle anderen zusammen ist, macht sich einen Spaß daraus und provoziert sie, spielt die Rolle des Zerstreuten, führt Sabotageakte durch, indem er im Aufnahmestudio unzählige Varianten vorschlägt, regelmäßig zu den Proben zu spät kommt oder zu einer BBC-Sendung in zerknitterten und dreckigen Klamotten erscheint, ihr wisst schon, in diesen aufgedonnerten Pop-Outfits, die auch die Beatles trugen … Und da er ja auch ein kleiner … wie soll ich sagen?, genau, ein kleiner Selbstverstümmler war, neigte er gern dazu, wenn er sah, wie schön verzweifelt sie waren, auch auf der Bühne zu übertreiben, benahm sich wie ein Zombie und starrte wie ein Irrer ins Publikum, mit herunter-hängender Unterlippe … Er wollte rausgeworfen werden, versteht ihr, auch wenn das die reinste Qual für ihn war, denn Pink Floyd waren seine Schöpfung, seine Familie … Als er mitbekam, und zwar schon sehr bald, dass sie überlegten, nach Ersatz für ihn zu suchen, unternahm er nichts, im Gegenteil, ich glaube sogar, dass er genau da anfing, mit dem LSD zu übertreiben, nach der katastrophalen Tour durch Amerika, und nicht davor, wie seine Kumpels immer behauptet haben.
    Syd Barrett wurde nicht geschasst, weil er verrückt geworden war: Er wurde verrückt, weil sie ihn schassten.

VIERTES GESTÄNDNIS
    Der Hund (2)

    So spielten wir eine Weile zu fünft, obwohl die Situation immer unerträglicher wurde. Nie konnte man ahnen, was Syd gleich tun würde: Manchmal wirkte er ganz normal, weshalb sich der eine oder andere von uns gefragt haben mag, ob wir David überhaupt brauchten. Aber wärt ihr das Risiko eingegangen, am Ende des Konzerts zu dritt dazustehen? Und auch noch ohne den wichtigsten Part, immerhin war dieser junge Hänfling, der von Beginn an eher unser Sohn als unser Bruder war, auch unser Bandleader, und die Leute liebten ihn. Da auch Roger ihn liebte, übernahm er am Ende die Verantwortung dafür, ihn auszuschließen. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern: Wir saßen während eines Gewitters im Auto und wollten Syd abholen. David war auch dabei. Kurz bevor Rick zu Syds Wohnung nach links abbiegen musste, fragte er: »Soll ich den Blinker setzen?«, und jemand antwortete: »Nein, verdammt noch mal, fahr weiter geradeaus!« Trotz des tosenden Gewitters bin ich mir sicher, dass es Rogers Stimme war.
    Dieses Szenario wiederholte sich noch einige Male, bis wir ihn einfach nicht mehr abholten. Das Erschütternde an der ganzen Sache ist, dass wir nie darüber gesprochen haben, kein einziges Wort. Syd existierte auf einmal nicht mehr. War kein Problem mehr.
    Am 6. April 1968 wurde das erste Plakat gedruckt, auf dem an seinem Platz Davids Name stand.

FÜNFTES GESTÄNDNIS
    Die Katze
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