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Mr. Fire und ich, Band 5 (German Edition)

Mr. Fire und ich, Band 5 (German Edition)

Titel: Mr. Fire und ich, Band 5 (German Edition)
Autoren: Lucy Jones
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schließt mich lange und feierlich in ihre Arme. Ich werfe Daniel einen Blick zu und er scheint genauso verblüfft zu sein wie ich. Dann setzt sich Agathe wieder und vertieft sich in ihre Arbeit, als wäre nichts geschehen. Daniel nimmt mich an der Schulter.
    „Wir kommen vor dem Abendessen noch einmal vorbei, Agathe“, sagt er zu seiner Schwester, bevor er die Tür hinter sich schließt. Agathe scheint nicht einmal bemerkt zu haben, dass wir gegangen sind. Ich warte ab, bis wir wieder im Salon sind, bevor ich mit Daniel spreche.
    „Ist sie immer so?“
    „Ja.“
    „Ich meine: Nimmt sie alle Leute in die Arme, die sie kennenlernt?“
    „Ach, das? Nein, natürlich nicht“, erwidert Daniel geistesabwesend.
    Ist das alles? In diesem Haus lebt eine Frau mit autistischen Verhaltensweisen zwischen ihren Computern und einer Krankenschwester und keiner sorgt sich darum?
    Daniel scheint meine erschrockene Miene zu bemerken, denn er hält es für angebracht, mir ein paar Einzelheiten zu erklären.
    „Es stimmt, dass sie seltsam reagiert hat, als sie dich gesehen hat. Aber es war doch nett, oder? Man darf die Reaktionen meiner Schwester nicht überbewerten. Sie ist einfach so.“
    „Und keiner kann ihr helfen?“
    „Sie hat schon so viele Fortschritte gemacht ... ihre Arbeit ... ihre Computer ... Das war unverhofft. Agathe ist eine Künstlerin, Julia. Durch das Cutten hat sie eine Art gefunden, sich auszudrücken. Aber sie verlässt nie dieses Haus. Sie ist dadurch bekannt geworden, dass sie Videos von ihrer Arbeit ins Internet gestellt hat. Innerhalb weniger Monate hat sie eine riesiger Ansturm an Nachfragen erreicht... Sie kommuniziert per Mail oder Chat, aber nie mit ihrer Stimme.“
    „Könnte sie, wenn sie wollte?“
    Daniel lässt sich Zeit mit seiner Antwort:
    „Zweifellos. Die Ärzte haben sie untersucht und deutlich gesagt, dass keine Verletzung, kein Trauma vorliegt, das ihren Zustand rechtfertigen würde. Sie spricht nicht mehr, weil sie nicht mehr sprechen will ... Meine Mutter ist darüber außer sich vor Wut“, schließt er mit einem Lächeln.
    Ach was!
    „Komm, ich nehme dich mit ans Meer. Bis dorthin sind es nur ein paar Minuten zu Fuß.“
    Als wir gerade gehen wollen, hält uns Agathes Krankenschwester Huguette zurück:
    „Mademoiselle Agathe möchte Mademoiselle Julia etwas zeigen.“
    „Meinetwegen, wir kommen hoch“, erwidert Daniel, verärgert, dass jemand so seine Pläne durchkreuzt.
    „Sie besteht darauf, Mademoiselle Julia allein zu sehen.“
    Ich horche auf, aber Daniel ist sofort außer sich vor Empörung:
    „Wie bitte? Sie kennt sie doch nicht einmal!“
    „Mademoiselle Agathe war in diesem Punkt sehr deutlich. Sie zeigt ihr nichts, wenn Sie mitkommen.“
    Daniel schweigt einen Moment, während die Krankenschwester und ich gebannt auf seine Antwort warten. Schließlich kapituliert er und schleudert uns entgegen:
    „Also meinetwegen! Wenn meine Anwesenheit wieder erwünscht ist: Ich bin im Salon!“
    Er schlägt die Tür hinter sich zu und lässt mich mit Huguette allein.
    „Wenn Sie mir bitten folgen wollen, Mademoiselle ...“
    Ich bemerke einen Funken Ironie in ihrer Stimme. Als ich den Blick hebe, stelle ich fest, dass die Krankenschwester über die Abfuhr, die der Hausherr gerade einstecken musste, nicht ganz unzufrieden ist.
    So ist das, Daniel, man kann nicht immer alles kontrollieren!
    Schüchtern betrete ich das Zimmer von Agathe. Diesmal empfängt sie mich mit einem strahlenden Lächeln und deutet auf einen Hocker neben sich. Ich setze mich. Sie fordert mich auf, den Bildschirm zu betrachten.
    Innerhalb einer Sekunde bin ich wie gefesselt: Durch ein erstaunliches Trickaufnahme-Verfahren mischen sich vor meinen Augen Bilder, Landschaften und Stillleben, werden zu einem harmonischen Ganzen und lösen sich schließlich auf. Der kleine Stummfilm beschreibt aus der Sicht von Agathe eine Welt aus Stille und Farben. Am Ende der Animation erscheint unten auf dem Bildschirm ein Satz:
    „Gefällt es dir?“
    „Sehr! Das ist wunderschön!“
    Agathe lächelt, sichtlich erfreut über meinen Kommentar.
    „Du bist Daniel sehr wichtig.“
    „Tatsächlich? Warum sagst du das?“
    Die Frage ist wie von selbst gekommen. Ich habe das Gefühl, per Skype mit Sarah zu kommunizieren.
    „Er bringt so gut wie niemanden hierher. Dabei ist es sein Zuhause. Warum bist du das letzte Mal nicht geblieben?“
    „Ich bin deiner Mutter begegnet.“
    Wieder kam meine Antwort wie aus der Pistole
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