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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
Autoren: Rebecca Hunt
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»wird ein Opus erwarten, so lange wie wir hier schon sitzen. Wie viel haben wir?«
    Jäh wurde Esther aus den Gedanken gerissen, denen sie sich inzwischen hingegeben hatte. »Ungefähr einen Absatz. Aber wenn ich die Korrekturflüssigkeit abkratze, könnten wir es auf eine Seite strecken.«
    »Das ist Plan B«, erwiderte Churchill. »B steht für bombastisch billig.«
    »Genau«, sagte Esther. »Fangen wir noch mal von vorn an.«
    Ja, stimmte Churchill bei, ein neuer Bogen musste her. »Sonst holt Ihre Mannschaft zu Hause langsam Verstärkung und macht sich auf die Suche nach Ihnen.«
    »Leider nicht.« Esther warf ihm das künstliche Imitat eines Lächelns zu. »Von einer Mannschaft kann nicht die Rede sein, da ich inzwischen allein lebe.« Dem folgte ein Geständnis: »So gut wie allein.« Dem folgte noch eines: »Früher waren wir zu zweit, mein Mann Michael und ich.« Das letzte Geständnis war ein Wink mit dem Zaunpfahl, verstärkt von ihren Augen: »Wobei Michael vielleicht behauptet hätte, dass wir zu dritt waren.«
    Churchill übersetzte sich diese hieroglyphische Aussage. Esthers Ton verriet viel, und das Bild vervollständigte sich rasch. »Er hatte vermutlich einen Gast?«
    Esther sagte ja und korrigierte sich dann. »In dem Sinne, dass ein Gast sich irgendwo einnistet, wo er gar nicht zu Hause ist. In dem Sinne, ja. Nicht im normalen Sinne, dass man irgendwo eingeladen ist.«
    »Das ist der Haken bei ungebetenen Gästen«, sagte Churchill. »Sie sind unter Umständen die Liebenswürdigkeit in Person, blendende Unterhalter und eine wunderbare Überraschung, oder sie sind, wie sich später herausstellt … «, er gestattete sich ein sparsames Grinsen, »… eine bête noire .«
    Black Pat warf sich stolz in die Brust. » C’est vrai .«
    Esther faltete derweil sinnlos ein Stück Papier zusammen. »Aber was … «, sagte sie und verlor den Faden. Churchill wartete ab, ob sie ihn wiederfand. Stattdessen sagte sie zu Black Pats Zufriedenheit: »Sollen wir mit dem Diktat weitermachen?« Vor dem schwierigen Thema verließ sie der Mut. »Andernfalls«, versuchte sie es schönzureden, »tippen und diktieren wir hier noch den ganzen Abend.«
    »Erquickend und labend«, sagte Black Pat.
    Das stimmte, pflichtete Churchill bei. Und die Abschiedsworte begannen.
    Auf dem Teppich fläzend sann Black Pat auf Ränke. Dieser diplomatische Notenwechsel zwischen Churchill und Esther, dieser diskret verschlüsselte Beistandspakt … er spürte einen Treubruch in ihr, in allen beiden.
    »IchwollteIhnennochsagen … «EsthersTippenwurdelangsamerundbrachdannab.GanzleisesagtesiezuChurchill:»…dassessehraufrüttelndgewesenist,Siekennenzulernen,trotzallemanderenheute.«
    »Ja«, sagte Churchill. »Gut.«
    Die Rede nahm ihren Fortgang und geriet wieder ins Stocken, als ihm aufging, was sie gesagt hatte. »Aufrüttelnd?« Doch er wartete nicht auf eine Antwort. Er hatte verstanden. »Ja, aufrüttelnd. Gut.«
    Er fühlte sich ermutigt. Sie war aufgerüttelt; das war doch einmal etwas Positives, wenn sonst nur Negatives passierte. Churchills Gedanken wanderten wieder zu den anderen, die diesem Negativen ausgesetzt gewesen waren, zu den liebsten Menschen in seiner Familie. Und sein Herz beschwor Bilder seines Augapfels Diana herauf, seiner ältesten Tochter, die es vorigen Oktober in die Tiefe der Nacht getrieben hatte. Die Grausamkeit dieses Fluchs und seines reißzähnigen Vollstreckers konnten einem wahrlich Löcher in die Seele brennen. Doch es gab Heilpackungen, mit denen sich diese Löcher füllen ließen, Tricks, die einen über Wasser hielten. Die Augen auf die HMS Indomitable gerichtet, nahm Churchill sich vor, Esther noch mehr aufzurütteln. Sie anzustacheln. Ja, dachte er, bohre nur weiter. Diese Pflicht wollte er gern erfüllen.
    »Sie wissen doch, wie es heißt«, sagte Churchill. »Was man tun soll, wenn man vom Leben Zitronen bekommt.«
    »Reinbeißen?«, mutmaßte Black Pat.
    »Limonade«, sagte Esther mit Überzeugung. »Man soll Limonade daraus machen.«
    »Es heißt«, erklärte Churchill, »dass man dann wenigstens mit hartschaligen Zitronen bewaffnet ist. Ja, mit kräftigen gelben Wurfgeschossen.«
    Esther verbiss sich ein Lachen.
    »Und«, fuhr Churchill fort, »wenn man vom Leben Fliegen bekommt«, unterstrichen von einem leicht amüsierten Nicken, »mach Brühe daraus. Und schleudere die dann deinen Feinden ins Gesicht.«
    Eine lobenswerte Einstellung, aber sicher nicht realistisch. Esther erinnerte sich an
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