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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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Feier seines 150. Geburtstages im Jahre 1906 hat bewiesen, daß heute die ganze Welt sich einig darin ist, in Mozart eine einzigartige Künstlererscheinung zu sehen, die rein als solche für alle Zeiten einen Gipfel in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit darstellt, mit dem in der Schönheit der Fernsicht über alles Irdische hinaus ins Reich des Wunderbaren kaum ein zweiter wetteifern kann. Beim Künstler aber erhebt sich immer die zweite Frage nach seinem Gegenwartsleben in seinen Werken .
    In den zahllosen Festartikeln und Festreden, die eine derartige Feier hervorzurufen Pflegt, war die volle Lebendigkeit Mozarts als etwas so Selbstverständliches hingenommen worden, daß eine Broschüre »Mozartheuchelei« von Paul Zschorlich mit allgemeiner Entrüstung wie eine Blasphemie zurückgewiesen wurde. Ich möchte nun keineswegsder Bedeutung dieses Einzelwerkchens gegenüber der jenes allgemeinen Glaubens an Mozart allzuviel Gewicht beilegen. Dennoch scheint es mir eine Pflicht, dieser Frage nach dem Weiterleben der Werke Mozarts näher zu treten. Die Klage vieler ernster Musiker, daß Mozarts Werke heute im Konzertsaal nicht genug gespielt werden, scheint doch zu bestätigen, daß nach ihnen von der Öffentlichkeit auch nicht genug verlangt wird. Andererseits findet sich auch bei Richard Wagner, dem es doch an echter Begeisterung für Mozart nicht gefehlt hat, mehrfach die Bemerkung, daß gerade das, was Mozarts Opern »über ihre Zeit erhob, sie in den sonderbaren Nachteil versetzt, außer ihrer Zeit fortzuleben, wo ihnen nun aber die lebendigen Bedingungen abgehen, welche zu ihrer Zeit ihre Konzeption und Ausführung bestimmten«. (Werke X, 131). So fehlt es also doch auch in diesem Falle nicht an Zeugnissen für den » ewigen Fluß der Dinge «.
    Wenn die Geschichte des menschlichen Geistes und der menschlichen Ethik dartut, daß sich sogar die Anschauung vom Guten und Sittlichen im Laufe der Zeit gewandelt hat, so werden wir uns nicht wundern, daß das Gleiche auch von der Anschauung des Schönen gilt. Es gibt kein absolut Schönes, sondern die Anschauung von Schönheit wechselt im Wandel der Zeit; sie wechselt gegenüber den Lebenswerten, gegenüber den Menschen; sie wechselt natürlich noch viel stärker gegenüber der Kunst. Die tiefsten Wirkungen vermag die Kunst aber nur dann auszulösen, wenn sie dem Begriff des Schönen entspricht, genauer, wenn sie den Menschen das Verlangen erfüllt, das sie zur Kunst treibt. Denn es ist ja nicht einmal immer etwas gewesen, was wir mit dem Begriff »schön« zusammenbringen möchten, was den Menschen zur Kunst gefühlt hat.
    Aus dieser einfachen Betrachtung ergibt sich, daß die Wirkung der Kunst beschränkt sein muß, nicht nur beschränkt gegenüber den Menschen, nach deren Veranlagung und geistigen Bildung, sondern vor allem auch begrenzt innerhalb der Zeit. Ich habe in meiner »Musikgeschichte« (Stuttgart, Muthsche Verlagshandlung, S. 88) die unleugbare Tatsache zu erklären versucht, daß die Musik immermehr als alle anderen Künste dieser zeitlichen Begrenzung unterworfen gewesen ist, daß es, im Gegensatz zu anderen Künsten, bei der Musik streng genommen die Renaissance, eine Wiedergeburt vergangener Musik nicht gibt.
    Freilich ist zu bedenken, daß unsere Zeit neben dem Streben nach Neuem in allen Künsten ein bewußtes Aufstapeln alter Werte zeigt. Wir haben in unserem geistigen Leben einige Jahrzehnte hinter uns, die man als »historische« bezeichnen könnte. Die geschichtlichen Wissenschaften haben einen riesigen Fortschritt gemacht, der hauptsächlich darin beruht, daß an die Stelle des bloßen Aufzählens vergangener Tatsachen und Ereignisse der Versuch des psychologischen Verständnisses dieser Vergangenheit getreten ist. Es ist sehr leicht möglich, daß auf diese Weise in uns eine so starke Fähigkeit zu einer Art von historischer Einstimmung erzeugt wird, daß wir auch dort, wo es hauptsächlich auf solche Stimmungswerte ankommt, unschwer zu einer Vergangenheitskunst ein Verhältnis finden. Es ist doch auch nicht bloß Überreiztheit der Nerven, wenn wir in unserer heute so verwickelten Zeit überall eine Freude an dem Primitiven in den Künsten auftreten sehen. Jedenfalls gehört zur unleugbaren Tatsache, daß wir diese Freude empfinden, die Fähigkeit, uns für diese primitive Kunst empfänglich einzustimmen. Es wäre kindisch, wenn man behaupten wollte, daß sich eine solche Fähigkeit nicht auch bis zu einem gewissen Grade der Musik
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