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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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verbinden sich mit dem Namen Mozart, unabhängigvon der zeitweilig stärker oder geringer hervortretenden Bedeutung seiner Werke für das öffentliche Musikleben, zwei Vorstellungen rein musikalischer Art, die auch bei keinem andern Musiker mit dieser Klarheit zu untersuchen sind: 1) Mozart ist das musikalische Genie und damit die reinste Ausdrucksform des Genies schlechthin; 2) Mozarts Musik ist in jenem höchsten Sinne universal, daß jedes Volk in ihr einen Gipfel seiner Musik sehen kann. –
    Wesen und Ursache dieser Erscheinung möchte ich untersuchen, bevor wir uns mit Mozarts Lebensgang beschäftigen.
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    Als Christoph Willibald Ritter von Gluck, nachdem er zu der Einsicht gekommen, daß er in Deutschland sein Reformwerk der Oper niemals würde durchsetzen können, die Pariser Bühne sich zu gewinnen strebte, schrieb er in seinem berühmt gewordenen Briefe vom Februar 1773 an den »Mercure de France«, es sei sein Lieblingsgedanke, »eine allen Nationen zusagende Musik zu schaffen und dadurch den lächerlichen Unterschied der nationalen Musiken verschwinden zu lassen«. Schier hundert Jahre später glaubte freilich auch Richard Wagner, daß nur von Paris aus eine für das Opernwesen bedeutsame Kundgebung auf durchschlagenden Erfolg rechnen könne. Er handelte danach; aber es geschah aus jener bitteren Erkenntnis heraus, in der Goethe bereits geurteilt hatte, daß es Deutschland zwar nie an Talenten, dagegen immer an nationalem Geiste gefehlt habe. Wagner wollte von Paris aus nicht Paris oder die Welt erobern, sondern Deutschland. Den höchsten nationalen Gehalt des Deutschtums durch die Musik und in ihr neu aufleben zu lassen und zu stärkerer Wirkung zu bringen, als es in den anderen Künsten möglich ist, war das Streben seines Lebens.
    Uns Heutigen, die wir, trotz alles Geredes von Internationalität der Kunst, diese viel volklicher empfinden als irgend ein Zeitalter zuvor, weil wir das Nationale nicht mehr als eine Begrenzung betrachten, sondern als Stärkung des Charakters, erscheint Glucks Streben, eine alle Nationen umfassende Musik zu schaffen, alsBeengung und Abschwächung des Stärksten in seinem Wesen. Umgekehrt fühlen wir, daß gerade auf Wagners Deutschheit seine Macht auf die Welt, seine Universalität beruht.
    Glucks Streben nach Internationalität trägt die Schuld an seinem Festhalten an den konventionellen Formen der Antike, seinem Beharren in der äußerlichen Romantik, seinem Versagen gegenüber dem Plan zur »Hermannsschlacht«, der Unterlassung des Versuchs, eine deutsche Operndichtung zu vertonen. Man muß dabei bedenken, daß er begeisterter Bewunderer Klopstocks war; und es ist doch gut denkbar, ja geradezu sicher, daß Klopstock eine Operndichtung wohl hätte gestalten können, in der Gluck für sein bestes Vermögen des Ausdrucks innerer Seelenentwickelung reiche Anregung gefunden haben würde. Was Glucks unvergängliche Größe ausmacht, ist ausgesprochen deutsch: eben die Betonung der seelischen Entwicklung. Dieses ist auch das stets Lebendige, noch heute Wirksame in Glucks Kunst. Daß die Neubelebung seiner Werke so schwer fällt, daß es nicht mehr recht gelingen will, ihnen eine edle Volkstümlichkeit zu verschaffen, liegt an jenen internationalen Eigenschaften. Die Musik würde, zumal bei einer Art von Auffrischung, wie sie Wagner der »Iphigenie in Aulis« hat zuteil werden lassen, bei ihm kaum ein Hindernis für eine Neubelebung bilden, die um so wünschenswerter wäre, als damit der romantischen Welt Wagners die ruhige, klare klassische Welt gegenübergestellt würde. Die Antike Glucks ist nämlich, wenn man die Musik allein ansieht, nicht die französische Klassizistik, als die sie durch das äußere Gewand der Handlungs- und Redeführung erscheint, sondern durchaus der Goethischen Welt verwandt. Gerade in der »Iphigenie« fühlt man diese Wesensverwandtschaft beider deutlich heraus.
    Liegt bei Gluck das ausgesprochen Deutsche in der Musik im Gegensatz zur Dichtung, die dem Weltbesitz der antiken Mythe entnommen war, so hat umgekehrt Wagner seine Weltstellung zweifellos der Musik zu verdanken, deren Prächtigkeit und ausgesprochene Theatralik – im besten Sinne des Wortes; Wagner nannte es das Exklamative in seiner Natur – Eigenschaften sind, die der deutschenMusik wenigstens vor ihm abgehen. Es fehlt in Wagners Kunst jene Intimität, jenes Sichversenken oder meinetwegen auch Sichverbohren in einen Gedanken, eine Empfindung, das sonst fremden Völkern das
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