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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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gewirkt haben würde. Wir müssen uns auch da wieder mit Goethe zufriedengeben: » Der Mensch muß wieder ruiniert werden. Jeder außerordentliche Mensch hat eine gewisse Sendung, die er zu vollbringen berufen ist. Hat er sie vollbracht, so ist er auf Erden in dieser Gestalt nicht weiter vonnöten, und die Vorsehung verwendet ihn wieder zu etwas anderem. Da aber hienieden alles auf natürlichem Wege geschieht, so stellen ihm die Dämonen ein Bein nach dem anderen, bis er zuletzt unterliegt. So ging es Napoleon und vielen anderen; Mozart starb in seinem sechsunddreißigsten Jahre, Raffael im gleichen Alter, Byron nur um weniges älter. Alle aber hatten ihre Mission auf das vollkommenste erfüllt, und es war wohl Zeit, daß sie gingen, damit auch anderen Leuten in dieser auf eine lange Dauer berechneten Welt etwas zu tun übrig bliebe.«
    Für die Beurteilung des künstlerischen Genies ist es sehr fruchtbar, zu sehen, wie bei Mozart dem ausgesprochen dämonisch genialen Schaffen ein hervorragender Kunstverstand sich eint. Man kann das nicht scharf genug betonen, da sogar Richard Wagner urteilen konnte, Mozart habe »in ganz unreflektiertem Verfahren, in ungetrübtester Naivität« geschaffen. Dabei zollte Wagner der genialen Musikernatur Mozarts höchste Bewunderung. Nur, wie so oft bei Wagner, empfindet man auch hier, daß der gewaltige Theoretiker und Kritiker, der er war, für seine meist tiefdringenden Urteile über Musiker nicht genug die geschichtlichen Vorbedingungen der einzelnen Erscheinungen in Anschlag brachte, vor allem dann nicht, wenn essich um das Verhältnis des Musikers zur Dichtung handelte. Wie gering gerade für uns Deutsche, bei denen das Wiedererwachen des gesamten seelischen Lebens viel früher in der Musik vorging als in der Dichtung, die schöpferischen Anregungen der letzteren für den auf anderem Gebiete tätigen Künstler in der Zeit vor Goethe sein mußten, wird allzuoft von unserer Kunstgeschichtsforschung übersehen, da wir selber so sehr gewohnt find, die Entwickelung des geistigen Lebens des Volkes hauptsächlich nach der Literatur zu beurteilen. Es kommt gerade bei Wagner hinzu, daß bei ihm die urschöpferische Tätigkeit durchaus auf jener Linie des Dichtens sich bewegte, die wir oben für Beethoven näher gekennzeichnet haben. So urteilt Wagner von Mozart in »Oper und Drama«: »Von Mozart ist mit Bezug auf seine Laufbahn als Opernkomponist nichts charakteristischer als die unbesorgte Wahllosigkeit, mit der er sich an seine Arbeiten machte: ihm fiel es so wenig ein, über den der Oper zugrunde liegenden ästhetischen Skrupel nachzudenken, daß er vielmehr mit größter Unbefangenheit an die Komposition jedes ihm aufgegebenen Operntextes sich machte, sogar unbekümmert darum, ob dieser Text für ihn, als reinen Musiker, dankbar sei oder nicht. Nehmen wir alle seine hier und da aufbewahrten ästhetischen Bemerkungen und Aussprüche zusammen, so versteigt alle seine Reflexion gewiß sich nicht höher als seine berühmte Definition von seiner Nase.« Wir werden dagegen gerade bei der Betrachtung von Mozarts dramatischem Schaffen sehen, wie »reflektiert sein Verfahren« gegenüber allen jenen Dingen war, bei denen die Reflexion etwas zu tun hat.
    Das letzte Wort Wagners zielt auf jenen als Ganzes sicher unechten Brief vom Jahre 1789, in dem ausführlich über Mozarts Art zu komponieren gesprochen ist. Da der Brief innerlich wahr ist und gewissermaßen das von der äußeren Beobachtung her Erkennbare in Mozarts Schaffensweise zusammenfaßt, sei die wichtigste Stelle auch hier wiedergegeben:
    »Wenn ich recht für mich bin und guter Dinge, etwa auf Reisen im Wagen oder nach guter Mahlzeit beim Spazieren und in der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, da kommen mir die Gedankenstromweis und am besten. Woher und wie, das weiß ich nicht, kann auch nichts dazu. Die mir nun gefallen, die behalte ich im Kopf und summe sie wohl auch für mich hin, wie mir andere wenigstens gesagt haben. Halt' ich das nun fest, so kommt mir bald eins nach dem andern bei, wozu so ein Brocken zu gebrauchen wäre, um eine Pastete daraus zu machen, nach Kontrapunkt, nach Klang der verschiedenen Instrumente usw. usw. Das erhitzt mir nun die Seele, wenn ich nämlich nicht gestört werde; da wird es immer größer, und ich breite es immer weiter und heller aus, und das Ding wird im Kopf wahrlich fast fertig, wenn es auch lang ist, so daß ich's hernach mit einem Blick, gleichsam wie ein schönes Bild oder einen
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