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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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Erscheinungswelt musikalisch, als setze sich alles gleich in Töne um. Wie er als Drei- und Vierjähriger gewisse Geräusche, falsche Töne oder z. B. auch die schrillen Trompetentöne als etwas Schmerzhaftes empfindet, wird ihm auch jegliches Erlebnis zum Tonbild, das das Kind in merkwürdigen Noten aufzeichnet, wie andere Kinder in Strichen ihre Gesichtsbilder festlegen. Ebenso merkwürdig ist bei einer Kunst, in der das handwerkliche Wissen und Können eine so wichtige Stellung einnimmt wie in der Musik, die Leichtigkeit, man könnte fast sagen die unbewußte Art, wie er sich das Technische zu eigen macht als eine selbstverständliche Ergänzung des inneren Lebens, als dessen einziges Mitteilungsmittel. So war er mit fünf Jahren ein fertiger Klavierspieler; wie er aber die Geige lernte, weiß man überhaupt nicht. Eines schönen Tages spielte er eben in einem Trio die zweite Geige fehlerlos mit, ohne jemals irgendwelchen Unterricht auf diesem Instrument erhalten zu haben. Man mag einfach sagen, daß er den Vater, der ein trefflicher Geiger war, kopierte, wie andere Kinder ja auch irgendwelche Fähigkeiten der Eltern in ihrer Weise oft verblüffend nachmachen. Die Art, wie das Kind Mozart komponiert, wirkt so, daß man darin seine natürliche Sprechweise erkennt. Das außerordentlich starke Empfinden des Knaben, für den die Versicherung der Liebe und Freude an ihm seitens aller in seiner Umgebung Lebensbedürfnis war, einigt sich sehr schön mit der Fähigkeit und dem Bedürfnis, sein eigenes Empfinden in Tönen wiederzugeben. Auf diese Weise erklärtes sich auch, daß sein Herumreisen als Wunderkind ohne schädlichen Einfluß auf seinen Charakter blieb, erklärt es sich, daß das Künstlertum ihm durch die Verhätschelung, die er als Knabe erfuhr, ebensowenig beeinflußt wurde wie später durch die Verkennung. Und bei dem kaum den Kinderschuhen Entwachsenen setzt sich die Erkenntnis, Komponist, schöpferischer Künstler zu sein, in einer so ausgeprägten Weise fest, daß ihm die Huldigungen, die die Welt seinem Spiel darbringt, ebenso als Störungen und Beeinträchtigungen seiner innersten Art erscheinen, wie etwa die Notwendigkeit, Stunden zu geben. In seinen Briefen kehren immer die Stellen wieder, in denen sich diese Lebensnotwendigkeit des in Tönen Gestaltens offenbart. Man kann sie alle in jene Worte zusammenfassen, die er einem Knaben, der ihn fragte, wie er komponieren lernen könne, antwortete: »Wenn man den Geist dazu hat, so drückt's und quält's einen: man muß es machen, und man macht's auch und fragt nicht darum.«
    Mozarts Briefe und die zahlreichen beglaubigten kleinen Züge seines Lebens bieten eine Fülle von Stoff zur Beurteilung und Kenntnis seines Wesens und damit jener Art des schöpferischen Genies, die der naivsten Auffassung des Wesens des Genies entgegenkommt, bei dem man allem Werden und Tun des Betreffenden gegenüber das Gefühl hat: das muß so sein, das mußte so kommen, das ist also auf diese Weise richtig. Eine Erklärung solcher Erscheinungen verlangt man dann gar nicht; weil sie da sind, sind sie notwendig gewesen. Es ist wie mit dem Wunder, das man glauben muß, das man nie erklären kann. Und es ist das Merkwürdige, daß man bei Mozart, ähnlich wie auch bei Raffael, gar nicht nach einer Erklärung verlangt. Wir fühlen diesen Künstlernaturen gegenüber fast nie etwas vom Werden, sondern nur vom Sein. Natürlich haben auch sie sich entwickelt, aber das ist ein so natürliches Wachsen wie das körperliche Zunehmen des Menschen. Es fehlt eben jene sichtbare Entwickelung, zu der schwere oder große Lebenserfahrungen, zu der die Auseinandersetzung mit bedeutenden Kunsterscheinungen oder Kunstpersönlichkeiten veranlaßt. Diese Künstler wachsen, wie der Baum an geschützter Stelle frei in der Natur wächst, sich ausbreitet,Früchte trägt und – zugrunde geht. Es muß so sein. Man hat eigentlich bei Mozart nicht das Gefühl der Trauer, daß sein Leben so früh zu Ende ging. Das beweist, daß unser Erkennen des Wesens der künstlerischen Persönlichkeit Mozarts in ihr nichts finden kann, was der Künstler nicht bereits gegeben hat. Es offenbart sich darin die absolute Vollkommenheit dessen, was er gegeben hat. Wir können auch gar nicht sagen, wie nun der weitere Weg Mozarts wohl ausgesehen haben würde, wie sein Schaffen geworden wäre; kaum, daß man sich einmal vorstellen mag, wie wohl die spätere Entwicklung Beethovens auf den ja doch nur vierzehn Jahre älteren Mozart
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