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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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der musique steckte«. Das war höchste Arbeitsleistung, die durch eine ungeheuer gesteigerte Fähigkeit innerlicher Konzentration ermöglicht war. Diese wird uns denn auch von allen Seiten bezeugt. Das heißt indirekt durch die Berichte von Zeitgenossen. Der Friseur hatte große Not mit ihm, denn alle Augenblicke sprang er auf und lief zum Klavier, und der Figaro mußte ihm mit dem Zopfband überallhin folgen. Beim Kegeln und Billardspielen summte er vor sich hin, taktierte mit dem Kopf und warf Noten auf irgend ein hervorgezogenes Stück Papier. Teile des »Don Juan« und der »Zauberflöte« sind so entstanden. Beim Reiten wurde ihm das Komponieren fast gefährlich, denn das Pferd ging mit dem versonnenen Meister durch. Schuf er ein großes Werk, so war er zu Possen und Späßen besonders geneigt, in denen er ein Gegengewicht gegen die geistig tief erregenden Momente des Gestaltens fand. »Er war immer guter Laune, aber selbst in der besten sehr nachdenkend, einem dabei scharf ins Auge blickend, auf alles, es mochte heiter oder traurig sein, überlegt antwortend, und doch schien er dabei an etwas ganz anderem tief denkend zu arbeiten. Selbst wenn er sich in der Früh die Hände wusch, ging er dabei im Zimmer auf und ab, blieb nie ruhig stehen, schlug dabei eine Ferse an die andere und war immer nachdenkend. Bei Tisch nahm er oft eine Ecke der Serviette, drehte sie fest zusammen, fuhr sich damit unter der Nase herum und schien in seinem Nachdenken öfters nichts davon zu wissen, und öfters machte er dabei noch eine Grimasse mit demMunde. – Auch sonst war er immer in Bewegung mit Händen und Füßen, spielte immer mit etwas, z. B. mit seinem Chapeau, Taschen, Uhrband, Tischen, Stühlen gleichsam Klavier.«
    Ebenso bezeichnend ist die Mitteilung, die Mozarts Schwager, Jos. Lange, in seiner Selbstbiographie (S. 181) macht: »Nie war Mozart weniger in seinen Gesprächen und Handlungen für einen großen Mann zu erkennen, als wenn er gerade mit einem wichtigen Werk beschäftigt war. Dann sprach er nicht nur verwirrt durcheinander, sondern machte mitunter Spässe einer Art, die man an ihm nicht gewohnt war; ja, er vernachlässigte sich sogar absichtlich in seinem Betragen. Dabei schien er doch über nichts zu brüten und zu denken. Entweder verbarg er vorsätzlich aus nicht zu enthüllenden Ursachen seine innere Anstrengung unter äußerer Frivolität; oder er gefiel sich darin, die göttlichen Ideen seiner Musik mit den Einfällen platter Alltäglichkeit in scharfen Kontrast zu bringen und durch eine Art von Selbstironie zu ergötzen.« An Selbstironie ist dabei natürlich nicht zu denken; eher an eine Art Notwehr, in der sich der dem Alltäglichen dienstpflichtige materielle Mensch gegen die Übermacht des Geistes verteidigt. Oder auch an das Schamgefühl des fein und zart empfindenden Künstlers, der vor der Umwelt die Wunder zu verheimlichen strebt, die in ihm sich vollziehen.
    Natürlich, wer nun bloß dieses Äußere sah, mußte denken, das sei überhaupt keine Arbeit. Selbst der Vater erkannte in dieser Hinsicht die Art seines Sohnes nicht. Auch er schätzte nur das als Arbeit, was er sah, und bedachte nicht, daß wenn sein Sohn sich zur Niederschrift hinsetzte, eigentlich bereits alles gearbeitet war, trotzdem ihm dieser das oft genug sagte; so z. B. einmal von München aus, als er dort am »Idomeneo« arbeitete, wo er ihm schrieb: »Komponiert ist schon alles, aber geschrieben noch nicht.« Dabei ist es so leicht erklärlich, daß Mozart vor der Niederschrift zurückschreckte; sie war ja für ihn eigentlich gleich einer rein handwerksmäßigen Arbeit, im Grunde mechanische Abschrift eines innerlich Fertigen. Nun mag es ja sein, daß bei diesem »Auf-die-lange-Bank hinausschieben«, wie es der Vater nannte, gelegentlich etwas nicht fertig geworden ist. Aberangesichts der riesigen Zahl der Mozartschen Werke müssen wir schon rein äußerlich von einem ganz gewaltigen Fleiß sprechen. Nicht bei allen ähnlich veranlagten Genies können wir das gleiche sagen. Lionardo da Vinci z. B., zweifellos eine der produktivsten Naturen, die es je gegeben hat, ist nur selten zur vollendeten Gestaltung seiner genial erschauten und innerlich fertig gestalteten Werke gelangt. Während der Arbeit an der Gestaltung des Äußeren nahm ihn die innere Produktion eines Neuen bereits derartig in Anspruch, daß er nicht nur die Lust, sondern auch die Spannkraft zur äußeren Vollendung der älteren Werke verlor. In herrlicher Weise hat
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