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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen
Autoren: Karl Storck
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seiner künftigen Arbeit der Kirchenmusik gegolten hätte. Er ist ein wahrhaft gottgläubiger Mensch geblieben, und die Art, wie sich in dem zu einem großen Satze verbundenen Requiem und Kyrie aus dem tiefen Schuldbewußtsein des Menschen die verzweifelte Anrufung der Gnade Gottes entwickelt und die volle Zuversicht zu erlösenden Güte Gottes sich ausspricht, bezeugt, daß seine religiösen Empfindungen mit den Grundformen der christlich-katholischen Auffassung nirgendwo in Widerspruch standen. Die allgemeine Zeiteinstimmung tut hier viel, und Mozarts Zeitalter hatte in kirchlichen Dingen wenigstens den einen großen Vorzug, daß es nicht das Trennende und Ausscheidende betonte, sondern durch eine gewisse Weitherzigkeit auch jenen die Zugehörigkeit zur Kirche zu keiner Gewissensfrage machte, die auf eigenem Wege ihr Verhältnis zu Gott zu gewinnen suchten. Und man möchte in Mozarts Requiem ein Gleiches ausgesprochen sehen. Mir jedenfalls ist kein zweites Beispiel dafür bekannt, daß in streng gewahrten Formen ein so ganz persönliches Fühlen sich ausspricht wie hier.
    Mozarts eigenes Sterben bezeugt die ruhige Sicherheit, mit der er der Ewigkeit entgegenging. Sein liebevolles Gemüt verleugnete sich auch im Anblick des Todes nicht. Der Schwägerin Sophie, die ihn, wie alle Tage, zu besuchen kam, nahm er das Versprechen ab, daß sie in der Nacht wiederkomme, weil sie ihn sterben sehen müsse. Er ließ sich den Gedanken nicht ausreden: »Ich habe ja schon den Totengeschmack auf der Zunge, und wer wird dann meiner lieben Konstanze beistehen, wenn Sie nicht hier blieben?« Seiner Frau aber gab er noch den Auftrag, sie solle den Musiker Albrechtsbergervon seinem nahen Ende benachrichtigen, denn diesem gebühre jene Stellung am Dome, die ihm zugesichert war. So hat er, dem nie einer von ihnen geholfen hatte, noch in den letzten Stunden an das Fortkommen eines Kunstgenossen gedacht.
    Draußen heulte der Sturm einer wilden Winternacht, spät abends noch kam der Arzt aus dem Theater. Er erkannte die Hoffnungslosigkeit des Zustandes, und die Eisumschläge, die er dem Kranken aufs Haupt legen ließ, raubten diesem das Bewußtsein. Fünfundfünfzig Minuten nach Mitternacht ist er (am 5. Dezember) gestorben.
    Die Leiche wurde durch den braven Deiner in ein Totenbruderschaftsgewand von schwarzem Tuch gekleidet. Die Bahre stellte man ins Arbeitszimmer nah ans Klavier. Ganze Scharen von Menschen huldigten am Tage in aufrichtiger Trauer dem Wenigen, was an diesem großen Manne sterblich gewesen war. Konstanzes Schmerz war so verzweifelt, daß man um ihr Leben fürchtete und sie zu Bekannten brachte; van Swieten übernahm die Sorge für das Begräbnis. Der Millionär scheint nicht auf den Gedanken gekommen zu sein, daß er die Kosten für eine würdige Bestattung übernehmen könnte, und richtete mit Rücksicht auf die dürftigen Verhältnisse der Familie alles so billig wie möglich ein. Ganze elfeinhalb Gulden sind für Begräbniskosten bezahlt worden. Am 6. Dezember nachmittags drei Uhr wurde die Leiche in der Kreuzkapelle bei St. Stephan eingesegnet. Dem heftigen Schneetreiben hielten nur wenige Freunde stand, und als der Sturm zunahm, kehrten auch diese am Stubentor um. So stand kein einziger an der Gruft, als man die Leiche hinabsenkte.
    Da man kein eigenes Grab angekauft hatte, wurde der Sarg in der allgemeinen Grube beigesetzt, die gewöhnlich fünfzehn bis zwanzig Särge aufnahm und alle zehn Jahre neu ausgegraben und neu besetzt wurde. Als Konstanze nach ihrer Krankheit endlich den Kirchhof aufsuchen konnte, war ein neuer Totengräber da, der ihr das Grab ihres Gatten nicht anzugeben wußte. Alles Suchen war vergebens. Man hat später viel Mühe aufgewendet, um das im Augenblick Versäumte gutzumachen. Im Mozarteum zu Salzburg wirdheute ein Schädel Mozarts gezeigt; eine ziemlich verwickelte Überlieferungsgeschichte hält die Legende aufrecht, daß er echt sei.
    Mir scheint es fast wie ein Symbol, daß wir nichts von den irdischen Resten Mozarts besitzen. Als Lichtgenius war er zur Erde niedergestiegen, – man soll nach Goethes Mahnung nicht erforschen wollen, woher und wie sie zu uns kommen – im Lichte entschwand er wieder, nachdem er uns das Beste gegeben, was uns werden kann: reine Schönheit der Kunst und edles Menschentum.

Ausklang
    Die Welt hatte an Mozart viel gutzumachen. Am leichtesten war das gegenüber seinen Hinterbliebenen zu tun. Fehlte auch hier eine wirklich reiche Großmut, mit der es ja einem
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